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Schwarzer Schwan Palästinas

■ Eine Ausstellung zeigt Else Lasker-Schülers Biografie und Mehrfachbegabung auf

„Die stärkste und unwegsamste lyrische Erscheinung des modernen Deutschland“, so wurde Else Lasker-Schüler einst von Karl Kraus charakterisiert. Doch heute teilt sie das Schicksal vieler Künstler, die die Nazizeit ins Exil trieb: Trotz zahlreicher Publikationen ist sie kaum mehr im Bewußtsein. Das will 51 Jahre nach ihrem Tod das Ernst Barlach Museum ändern.

Wie Barlach war auch die 1869 in Wuppertal geborene Else Lasker-Schüler eine Mehrfachbegabung. Sie gestaltete ihre Welt nicht nur im Wort, sondern auch im Bild. Sie illustrierte die Vorzugsausgaben ihrer Bücher mit lithographierten Zeichnungen, die sie mit Farbstift oder Pastellkreide persönlich kolorierte. Auch ihre Briefe sind voll davon. Das Wedeler Museum zeigt jetzt einhundert Zeichnungen, von denen die Hälfte aus dem von der Nationalbibliothek Jerusalem verwalteten Nachlaß erstmals nach Europa gekommen sind.

Da tanzen die „wilden Juden“ mit Arabern und Afrikanern vor der Kulisse eines märchenhaften Orients und immer wieder mischen sich Indianer in die glitzernde Welt zwischen Kaffeehaus und Oase. Auch wenn heute der versöhnliche Aspekt dieser Kunst besonders betont wird, ist das eine recht private Traumwelt.

Die exzentrische Schriftstellerin hat lebenslang versucht, die Welt poetisch zu verändern. Das begann mit den Namen: Sie selbst war „Prinz Jussuf zu Theben“, ihr zweiter Ehemann Georg Levin wurde zu Herwarth Walden (und berühmt als Mentor der Expressionisten mit Zeitschrift und Galerie Der Sturm). Else Lasker-Schüler änderte ihre Biographie solange selbst, bis Wahrheit und Legende oft nicht mehr zu trennen war. Selbst auf dem Hintergrund der wilden zwanziger Jahre in Berlin meinten manche, sie sei verrückt.

Die ausführliche Dokumentation im Keller des Museums macht klar: Es gibt kaum einen wichtigen Namen aus der Kultur dieser Zeit, der nicht in ihrer Biographie auftaucht. Nicht zuletzt das macht das Studium dieser an Material überreichen Kompilationen interessant.

Entgegen anderslautender Vorurteile ist Lasker-Schüler keineswegs unpolitisch. Sie setzt sich etwa für den im Zarenreich inhaftierten Anarchisten Johannes Holzmann ein. Enge Freundschaften verbinden sie mit dem Maler Franz Marc und dem Dichter Gottfried Benn. Noch 1932 erhält sie den „Kleistpreis“, wenige Monate später brennen ihre Bücher. So wird 1933 aus „dem schwarzen Schwan Palästinas“ in Berlin die „verscheuchte Dichterin“ im Exil.

Besonders interessant, wie die Schweiz mit jüdischen Auswanderern umging. Staubtrockene Briefe der Schweizer Ausländerbehörde unterstellen Ende der dreißiger Jahre einer Jüdin Verfolgungswahn und verweisen sie schließlich „aus vorsorglich armenpolizeilichen Gründen – Überfremdung“ des Landes. Else Lasker-Schüler bleibt nur noch Palästina als Zuflucht.

Doch das reale Land ist alles andere als der versöhnte Orient ihrer Träume. Da half kein mit Goldfolie collagierter „Wunderrabbi“ und keine poetische Privatmythologie, da blieb nur das „Grauen der Einsamkeit“ in einem fremden und unverstandenen Land: „...es ist zu schwer für mich unterm Volk hier. David wär – auch abgereist“, schreibt sie Ende 1943. Vierzehn Monate später stirbt sie in Jerusalem.

Hajo Schiff

Begleitheft der Ausstellung 5 Mark. Als ausführliche Information dient das „Marbacher Magazin 71/95“ der Deutschen Schillergesellschaft: 376 Seiten, 32 Mark. Ernst Barlach Museum Wedel, Mühlenstr. 1, Di-So, 10-12 + 14-18 Uhr, bis 14. April.

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