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Nachts fliegen erlaubt – aber leise

SPD-Verkehrsprojekte belasten das rot-grüne Bündnis in Düsseldorf schwer  ■ Aus Düsseldorf von Walter Jakobs

Gisela Nackens Wort hat Gewicht. Wenn die 38jährige Fraktionssprecherin der Landtagsgrünen sich zur Düsseldorfer Koalition äußert, dann spricht keine aufgeblasene grüne „Sofortistin“, sondern eine Politikerin, die ihre Worte sorgfältig wägt und opportunistische Schlagzeilensiege auf Kosten anderer meidet. Daß ausgerechnet Nacken sich jetzt genötigt sieht, SPD-Wirtschafts- und Verkehrsminister Wolfgang Clement öffentlich aufzufordern, „zurück ins Koalitionsboot zu kommen“, verrät deshalb viel über das Maß der rot-grünen Verstimmung am Rhein. Die grüne Basis kocht. Manfred Busch, linker parlamentarischer Geschäftsführer der grünen Landtagsfraktion, spricht inzwischen von Clements „Granaten“, die genau „ins Mark der Grünen zielen“. Eine Autobahnverlängerung in Bochum, ein Flughafenausbau in Dortmund und die nächtliche Frachtfliegerei auf dem Flughafen Köln/Bonn zählen zu den explosivsten Geschossen.

Die Ruhrgebietsgrünen haben inzwischen die Fraktion in einer Resolution aufgefordert, dem in Kürze zur Abstimmung anstehenden Haushaltsplan des „Superministers“ solange nicht zuzustimmen, bis dessen Dortmunder und Bochumer Pläne vom Tisch sind. Zu den Unterzeichnern gehört auch Busch. Eine solche „Verknüpfung“ hält Fraktionskollegin Nacken „zwar nicht für sinnvoll“, aber am Ernst der Lage läßt auch sie keinen Zweifel. „Wenn die SPD die Koalition nicht will“, sagt sie mit Blick auf die Projekte in Bochum und Dortmund, „dann muß sie das jetzt ganz klar sagen“.

Die Lage scheint grotesk. Ausgerechnet Clement, auf Seiten der SPD einer der entscheidenden „Architekten“ des Bündnisses, fällt nun die Rolle des Störenfrieds zu. Einst vom grünen Landessprecher Rainer Priggen als „ehrlicher Makler“ gerühmt, sieht es inzwischen so aus, als sei dem leidenschaftlichen Pragmatiker der politische Kompaß abhanden gekommen. Wenn der Rau-Kronprinz so weitermache, fürchten maßgebliche Grüne, drohe dieser „über seinen Machtpragmatismus zu stolpern“ – und damit die Koalition.

Fest steht: Vom Wortlaut des Koalitionsvertrages sind Clements Positionen im aktuellen Konflikt überwiegend nicht gedeckt. Nur beim Nachtflugstreit in Köln bewegt sich der Wirtschaftsminister noch auf sicherem Grund. Hier haben die Koalitionspartner zwar „eine Kernruhezeit von zwei Stunden“ als „Ziel“ formuliert. Aber, so heißt es weiter, diese Reduzierung dürfe „nicht zu einer Gefährdung der Arbeitsplätze bei den Logistikunternehmen“ führen. Weil große Frachtunternehmen im Falle von Einschränkungen der nächtlichen Fliegerei schon einen Wechsel ins benachbarte Lüttich in Belgien angekündigt haben, ist das Arbeitsplatzargument – 2.000 Beschäftigte hängen unmittelbar am Frachtflugverkehr – von einigem Gewicht. Als Ausweg strebt Clement den Einsatz von leiseren Flugzeugen an – mit Übergangsregelungen bis zum Jahr 2002. Dagegen laufen Bürgerinitiativen und die Grünen der Region Sturm.

Auch in Dortmund will Clement den Ausbau des Flughafens mit 20 Millionen Mark aus seinem Etat subventionieren. Im Koalitionsvertrag steht genau das Gegenteil. „Das Land fördert künftig nicht mehr den Ausbau von Flughäfen und Verkehrslandeplätzen.“ Ein eindeutiger Bruch des Koalitionsvertrages? Nein, sagt Clement, denn er gebe das Geld doch nur als „Komplementärmittel“ zur Absicherung eines Förderprogramms der EU (vgl. taz v. 22. 12. 95). Im übrigen sei das Vorhaben schon während der Koalitionsverhandlungen von seinem Vorgänger angesprochen worden. Das stimmt zwar, aber von den 20 Millionen aus der Landeskasse war dabei nach der Erinnerung von Gisela Nacken nie die Rede: „Wir haben dieser Förderung aus Landesmitteln nie zugestimmt“.

Noch eine Nummer härter bewerten die Grünen das, was Clement in Bochum treibt. Dort will er die A 44 (Düsseldorf-Bochum- Dortmund) um 2,2 Kilometer verlängern, um sie mit einer vierspurigen städtischen Schnellstraße zu verbinden. Die soll in Bochum- Wattenscheid dann mit der auf sechs Spuren auszubauenden A 40 ampelfrei verknüpft werden. Der Koalitionsvertrag verkündet dagegen apodiktisch: „Die A 44 (DüBoDo) wird abgelehnt“. Auch die Bochumer SPD wollte die Anbindung nicht. Doch Clement schaffte beim Unterbezirksparteitag am vergangenen Wochenende die Wende. Rund 80 Prozent der Delegierten folgten ihm. Auch der Opel-Betriebsrat, weil damit eine direkte Anbindung des Werkes an die A 44 verbunden ist. Es sind schon kunstvolle Argumentationspirouetten, mit denen Clement – „Ich bin auch gegen die DüBoDo“ – dieses Projekt als koalitionstreu darzustellen sucht: Tatsächlich werde der „Lückenschluß“ dazu führen, daß der vom Bundesverkehrsminister beabsichtigte Weiterbau der DüBoDo über 17 Kilometer bis nach Velbert, „in den nächsten 20 Jahren faktisch nicht zu begründen ist“. Warum? Weil das Projekt das zentrale Verkehrsproblem des Reviers, die Überlastung der A 40, abbaue. Tatsächlich beziffert ein Gutachten der Stadt Bochum diesen Entlastungseffekt dagegen auf ganze zehn Prozent.

Der grüne Fraktionsmanager Busch sieht in Clements Tun inzwischen den Versuch, in der rot-grünen Koalition Projekte durchzusetzen, „die nicht einmal unter rot- pur möglich waren“. Vernichtende Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Bernd Faulenbach, im Bochumer Parteivorstand und zugleich Vorsitzender der Historischen Kommission der SPD, bewertet das DüBoDo-Projekt so: „Verkehrspolitisch fragwürdig, ökologisch nicht vertretbar und verheerend für die Glaubwürdigkeit der Partei“.

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