: Schaum und Schande
Noch wenige Tage zuvor hätte Marianne das alles nicht für möglich gehalten. Grausam schlägt das Schicksal zu, als sie erfahren muß, daß nicht nur ihre Tochter Tatjana schwanger ist. Auch ihr Freund Olaf muß sein Leben ganz neu überdenken, und schließlich wird sich Marianne entscheiden müssen: Macht sie den B-Test? ■ Ein Fotoschundroman von Klaudia Brunst und Carola Rönneburg
„Mist!“ denkt Marianne bei sich. „Wenn es so was zu meiner Zeit schon gegeben hätte, dann könnte Verena sich jetzt hier nicht so aufspielen. Ein B-Test!“ Verena kichert still in sich hinein: „Das nenn' ich Aufklärung! Wer muß schon seiner eigenen Mutter auseinandersetzen, wie ein Schwangerschaftstest funktioniert? Wozu hat Oswalt Kolle denn seine ganzen Bücher geschrieben?“ Eigentlich ist Verena gar nicht so gemein, aber seit ihre Mutter einen Freund hat, mit dem Verena in der Grundschule war, hat sie doch Probleme mit ihrer Mutter. Und genau wie ihre ältere Schwester Tatjana vermißt sie ihren Vater.
Trotzdem sagt sie jetzt laut: „Schau mal, Mutti! Das ist doch alles ganz einfach. Du mußt einfach nur die Gebrauchsanweisung aufmerksam lesen. Der Rest geht dann quasi von allein.“ Allein! Das ist das Stichwort für Marianne. Mit der Schachtel in der Hand schließt sie sich im Bad ein...
„Ob das mit dem Duschen wirklich nötig gewesen wäre“, grübelt Marianne etwas verunsichert, „eigentlich steht davon hier ja nichts.“ Aber Marianne hat schon immer viel Wert auf Hygiene gelegt. Um so schlimmer, daß ausgerechnet ihr das mit dem ausgelaufenen Schaumovolum passiert ist. Und dann Olafs Reaktion! Sie mag gar nicht mehr daran denken, wie er sich angeekelt von ihr abgewendet hat. So etwas kann doch jeder mal passieren. Hermann hatte immer Verständnis für ihre Unsicherheiten. Aber Hermann ist fort...
Marianne schreitet zur Tat. Vorsichtig zieht sie das kleine weiße Meßgerät aus der Schachtel. Lange konzentriert sie sich auf der Toilette darauf, die erforderliche Urinmenge in das dafür vorgesehene Meßbecherchen zu befördern. Schon jetzt ist ihr klar, daß sie später wohl noch einmal wird duschen müssen.
Währenddessen ruft Verena ihre Schwester Tatjana im Büro an. „Weißt du, was Mutti gerade auf dem Klo macht?“ prustet sie in den Hörer und plaudert natürlich alles aus...
„Das ist ja toll“, findet Tatjana, „daß wir noch ein kleines Schwesterchen kriegen. Und stell dir vor, du wirst wahrscheinlich bald auch noch Tante.“ Auch Tatjana hat vor geraumer Zeit Probleme mit ihrem Schaumovolum gehabt. Das kommt in den besten Familien vor. Aber jetzt hat sie sich mit dem Gedanken angefreundet, ihren öden Bürojob in der Holzfachhandlung aufzugeben. „Was wird wohl Olaf dazu sagen, wenn ich ihm eröffne, daß er Vater wird?“ denkt sie. In letzter Zeit wirkte ihr Freund nämlich doch etwas abgespannt...
Es ist Abend. Endlich hat sich Olaf von Marianne losreißen können und ist zu Tatjana geeilt. Das Heftchen, daß sie ihm jetzt zeigt, kommt Olaf merkwürdig bekannt vor. Aber er lächelt tapfer, während ihm der Schweiß auf die Stirn tritt. „Vielleicht war das doch keine so gute Idee mit dem Schaumovolum“, denkt er. Derweil liest ihm Tatjana die B-Test-Gebrauchsanleitung vor. „Und dann wissen wir ganz schnell, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird“, behauptet sie. „Das hat Marianne auch gesagt“, denkt Olaf...
Tatsächlich, das Röhrchen hat sich verfärbt. „Ist das jetzt ein gutes Zeichen?“ fragt Tatjana fröhlich. „Natürlich!“ lügt Olaf und rechnet im Kopf schon mal zusammen, wieviel Alimente da wohl auf ihn zukommen werden. Schlagartig wird Olaf klar, daß er sein Leben ändern und die Verabredung mit Verena wohl doch absagen muß. Irgendwo ist eine Grenze...
In den nächsten Tagen kommt es in der Familie zu unbeschreiblichen Szenen, von denen leider keine Fotos existieren. Oma Gertrud macht sich nun doch Sorgen um ihre Tochter Marianne. Sie bekommt Zwillinge. „Eine Risikogeburt in ihrem Alter“, denkt Oma, „da kommt noch was auf uns zu!“ Außerdem liegt ihre Enkelin Tatjana mit einer Bauchhöhlenschwangerschaft im Kreiskrankenhaus. Und Verena, das zarte Kind, ist nicht mehr ansprechbar, seit sie erfahren hat, daß sich ihr väterlicher Freund Olaf mit einer Überdosis Schaumovolum (eine Familienpackung mit 110 Prozent mehr Inhalt) vergiftet hat. Man fand ihn in einer schmierigen Schaumlache an der A9 (München–Nürnberg; Streckenkilometer 156).
Gertrud, die seit über dreißig Jahren trocken war, hatte keine andere Wahl mehr: Sie mußte wieder zur Flasche greifen. Jetzt hat die AOK ihr einen Zivildienstleistenden zur Seite gestellt. Peinlich!
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