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Juristische Entgleisung

■ Hamburger Anwalt: Bedarfsgesetz für Transrapid ist verfassungswidrig / Magnetbahn am Fahrgastaufkommen vorbeigeplant Von Heike Haarhoff

Völlig losgelöst schwebt der Transrapid in rechtlosen Sphären: „Das Magnetschwebebahn-Bedarfsgesetz (MsbG) in seiner jetzigen Form ist nicht verfassungsgemäß“, warnt der Hamburger Anwalt Michael Günther die Bundesregierung. Fahrgastprognosen, mit denen der Bedarf begründet werde, seien überdimensioniert und entbehrten jeder wissenschaftlichen Grundlage. Auch lasse der Gesetzentwurf Privateigentümern, durch deren Grundstücke die geplante Trasse laufen soll, von vornherein keinerlei Einspruchsmöglichkeit gegen die drohenden Enteignungen.

Im Auftrag der Umweltorganisation Robin Wood erstellte Günther ein Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des MsbG für die geplante Transrapid-Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Fazit des Anwalts: „Hier wird sehenden Auges gegen das Gesetz verstoßen.“ Mit diesem Studien-Ergebnis wird Robin Wood bei der morgigen Expertenanhörung im Verkehrsausschuß des Bundestags dem Transrapid nach der verkehrs-, finanz- und gesellschaftspolitischen nun auch die juristische Entgleisung bescheinigen.

Denn der „Bedarf für den Neubau einer Magnetschwebebahnstrecke von Berlin nach Hamburg über Schwerin“, den die Bundesregierung sich per Gesetz (§ 1 des MsbG) bescheinigen möchte, „ist völlig absurd“. Sichergestellt werden solle lediglich, daß nur noch über die Art und Weise der Ausführung entschieden werde, nicht aber – wie in Planfeststellungsverfahren üblich – über das „Ob“, bemängelt Günther. In Ausnahmefällen habe der Gesetzgeber zwar die Möglichkeit, das öffentliche Interesse aus Gründen der „Unverzichtbarkeit“ über das von Privatpersonen zu stellen: So wurde verschiedenen Autobahnen und Fernstraßen im Bundesverkehrswegeplan gesetzlich „vordringlicher Bedarf“ bescheinigt. „Aber dazu muß laut Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit des Verkehrsprojekts nachgewiesen sein.“

Die aber fehlt: Den Strick, mit dem der Anwalt dem Milliarden-Projekt die Luft abdrehen will, haben sich die Transrapid-Befürworter selbst gedreht: Jährlich 14,5 Millionen Fahrgäste wähnen sie künftig zwischen Hamburg und Berlin. Diese Schätzungen, so das Gutachten, seien jedoch überdimensioniert und „widersprechen wissenschaftlich vertretbaren Prognoseverfahren (...). Der Bedarf ist nach allen bisherigen Erkenntnissen willkürlich festgesetzt worden und entspricht nicht den Anforderungen an eine verantwortungsbewußte rechtsstaatliche Planung“, kritisiert Günther.

So beförderte die Deutsche Bahn AG 1995 nach eigenen Angaben 1,5 Millionen Reisende zwischen Hamburg und Berlin: „Es gibt keine Anhaltspunkte, daß sich das Fahrgastaufkommen bis 2010 verzehnfachen wird“, sagt der Anwalt. Die Magnetschwebebahn-Planungsgesellschaft gehe aber davon aus, daß von den 14,5 Millionen erwarteten Fahrgästen „etwa 8,5 bis 10,2 Millionen aus dem Kontingent der Bahn übernommen werden sollen“. Schleierhaft ist dem Anwalt auch, weshalb der Gesetzentwurf weder eine zeitliche Befristung nennt, für die der Bedarf festgeschrieben wird, noch Kontrollen desselben fordert.

„Das Gesetz hat keine Aussicht auf Erfolg“, ist Günther sicher. Gegen seine Verfassungswidrigkeit geklagt werden kann jedoch erst, wenn das Gesetz angewendet wird. Dazu müßte ein Planfeststellungsbeschluß dem Transrapid-Bau grünes Licht geben.

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