piwik no script img

Der Anfang vom Anfang

Auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum werden Hoffnungschancen für eine wirtschaftliche Erholung Afrikas diskutiert  ■ Aus Davos Dietmar Bartz

Mehr als zehn Jahre lang galt das Afrika südlich der Sahara als „der verlorene Kontinent“. Diktaturen und Bürgerkriege, Hungersnöte und Seuchen bestimmten das Bild. Die Wirtschaft schien aus kaum mehr zu bestehen als aus Rohstoffpreisverfall, Verschuldung und Kapitalflucht.

Doch die Anzeichen häufen sich, daß zwischen Sahara und Kap ein Wandel zum Besseren in Sicht ist. „Es kommt mir so vor, als ob dort viele Länder in Bewegung geraten sind, besonders die frankophonen“, sagte der französische Notenbankchef Jean-Claude Trichet auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos über die ehemaligen Kolonien. „Ich bin recht angetan, wenn ich mir die ökonomischen Trends anschaue.“

Vor allem der Machtwechsel in Südafrika mit neuen Kooperationsmöglichkeiten und eine zeitgleiche Welle von marktwirtschaftlichen Reformen haben regionale oder sektorale Wachstumsinseln geschaffen. Abzulesen ist das etwa an den afrikanischen Börsen. Bis vor kurzem waren die meisten der 16 Börsen für Ausländer versperrt, während gleichzeitig die größten Wirtschaftsunternehmen staatlich kontrolliert wurden. Doch in den letzten drei Jahren wurden, oftmals über die Börse, Hunderte von Staatsfirmen privatisiert – und Ausländern der Zugang erlaubt. Seither ist der Kapitalmangel kein so gewaltiges Problem mehr wie früher.

So manche afrikanische Börse boomt inzwischen

Seit etwa die Börse in Harare, der Hauptstadt Zimbabwes, im Juni 1993 für Ausländer geöffnet wurde, hat sich das Handelsvolumen vervierfacht. Doch trotzdem sind die Börsenumsätze nach wie vor so gering, daß ein größeres Paket manchmal kaum Käufer findet. Stückeln lassen sich die Anteile auch nicht, denn bei niedrigem Handelsvolumen versaut bereits der erste Verkauf den Kurs.

Dennoch, die positiven Trends waren beim Treffen der internationalen Topmanager in der Schweiz sogar mit einer eigenen Arbeitsgruppe bedacht worden, allerdings unter der hinsichtlich Mythos und Fauna absurden Fragestellung: „Afrika als nächster Wirtschaftsdrache?“

Pivi Obeng, Vorsitzender der Nationalen Planungsbehörde in Ghana, fände einen „Wirtschaftstiger“ passender. Als Grund dafür, daß die postiven Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent in den Industrieländern jetzt auf so große Überraschung stoßen, sieht er die langjährige Verweigerung vieler afrikanischer Staaten gegenüber den rabiaten Wachstums- und Anpassungskonzepten des Nordens. Jetzt führen Obeng zufolge Reformen schneller zu positiven Ergebnissen, weil sie sozialverträglicher gestaltet werden. Unruhe erntete der Ghanaer durch ein indirektes Plädoyer für Entwicklungsdiktaturen – die Erträge aus einer undemokratischen Investition könnten auch eine Voraussetzung für die Demokratisierung sein.

Das sieht Jehoash Mayanja- Nkangi, Minister für Finanzen und Wirtschaft in Uganda, ganz anders. Das kleine, in der Vergangenheit unter dem Diktator Idi Amin berüchtigte Land hat in den letzten Jahren einen ansehnlichen Aufschwung erlebt – 1995 lag das Wirtschaftswachstum bei zehn Prozent. Politische Stabilität stehe absolut im Vordergrund. Die Nachteile des durch viele Grenzen fragmentierten zentralafrikanischen Marktes sieht Mayanja-Nkangi kompensiert durch Freihandelszonen entlang der ostafrikanischen Küste. Im übrigen bevorzuge er die Bezeichnung „Wirtschaftslöwen“.

„Elefanten“ schlägt hingegen Dikgang Moseneke vor, Chef der südafrikanischen Telekom-Gesellschaft. „Wir können über Internet reden und über Daten-Autobahnen. Aber wir werden noch 25 Jahre brauchen, bis wir überall in Bewegung geraten sind.“ Denn 50 Prozent der Bevölkerung seines Landes und 80 Prozent auf dem Kontinent insgesamt leben auf dem Land.

Eine modernere Auffassung von Regierung

Der südafrikanische Entwicklungsminister Jay Naidoo sieht die Herausforderung vor allem in einer moderneren Auffassung von der Bedeutung der Regierung: In vielen Ländern sei sie bürgerorientierter geworden und bekämpfe die Korruption ernsthafter. Auch die Globalisierung habe dazu beigetragen: Im internationalen Kampf um Investitionen, so Naidoo, habe es einen Schub hin zu mehr Wettbewerb zwischen den Regierungen gegeben.

Selbst Stanley Fischer, zweiter Mann beim Internationalen Währungsfonds (IWF), hat einen Umschwung bemerkt, auch wenn dadurch nach wie vor in Afrika bestehende Krisenregionen nicht übersehen werden dürften: „Wenn man nur auf das große Bild schaut, sieht man die Details nicht“, warnt er. Für den entscheidenden Faktor hält auch er das veränderte Selbstverständnis der Regierungen. Kein Platz für Diktatoren – in Afrika beginne jetzt der gleiche Prozeß der Demokratisierung, wie er in Lateinamerika in den Achtzigern zu beobachten war.

Vor einer Überschätzung von Investmentfonds, in denen inzwischen nach Angaben der Financial Times rund eine Milliarde Dollar speziell für Anlagen in Afrika zusammengekommen sind, warnte Fischer hingegen. Dieses Portfolio-Kapital stelle eben kein langfristiges Engagement dar. Doch der Herr der öffentlichen Kredite wirkte etwas mißmutig bei diesem Statement. Vielleicht, weil den Investmentfonds inzwischen mehr Expertenwissen vor Ort zugebilligt wird als dem IWF.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen