Streicheleinheiten

■ Mit diversen Eigenformaten und Lokalkolorit will sich der neue Musikkanal "Onyx" bei den Medienanstalten, den Hütern der raren Kabelplätze, beliebt machen

Die 30- bis 55jährigen sind für die hiesigen Werbe- und Marketingstrategen besonders interessant, denn ein Drittel der deutschen Bevölkerung gehört zu dieser Altersgruppe. Kein Wunder, daß die Holding-Gruppe Excalibur, zu der bisher unter anderem Radiosender und Multimediafirmen gehörten, diese kaufkräftige Zielgruppe ins Visier nahm, als sie mit „Onyx“ ihre erste TV-Station ins Leben rief. Dieser „Fernsehsender für alle Schlagerjazzcountryklassikmusicalpopoldiefans“ (Werbetext) stellte soeben in Hamburg sein Konzept vor.

Seit 6. Januar strahlt Onyx Sendeschleifen mit Musikvideos und Filmclips aus, die bisher über Kabel in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu empfangen sind. Ab kommender Woche will man, so Chefredakteur Christof Hawerkamp, aber nun „nach und nach“ auch eigene Formate „ausrollen“. Die erste Sendung heißt „Streicheleinheiten“ und richtet sich, so Hawerkamp, „an Zuschauer, die sich im Stadium des Verliebtseins befinden oder sich gern daran zurückerinnern“.

Nach Viva 2 und VH-1, die jeweils die 25- bis 49jährigen anvisieren, hat sich mit Onyx bereits der dritte deutsche Musikfernsehsender die geburtenstarken Jahrgänge als Zielgruppe ausgesucht. Alle drei haben offensichtlich Adornos Typologisierung des Rezipienten verinnerlicht, nach der das Interesse für Musik mit zunehmendem Alter zwar nicht quantitativ, aber qualitativ abnimmt. Die TV-Strategen gehen also davon aus, daß ihre Zuschauer zu blöd oder zu bequem sind, sich mit neuer Musik zu beschäftigen. „Onyx ist ein TV- Sender für Erwachsene, die ihren Musikgeschmack gefunden haben“, sagt Onyx über Onyx.

Drei Genres stehen im Vordergrund: Jazz, Country und der deutsche Schlager. „Wir wollen den Begriff Schlager wieder positiv besetzen“, droht Hawerkamp. Weil aus diesen Bereichen wenig Videoclips zur Verfügung stehen, ist Onyx geradezu gezwungen, eigene Shows zu produzieren. Geschäftsführer Roland Müller verspricht langfristig gar eine „Programmstruktur wie bei den Öffentlich-Rechtlichen“ – angesichts eines Low-Budget-Etats (50 Millionen Mark für 1996) ziemlich vorwitzig.

Insgeamt ist Onyx derzeit in 2,4 Millionen Haushalten zu sehen, Satelliten-Empfang auf Eutelsat mitgerechnet. 8 bis 8,5 Millionen will Müller bis zum Jahresende erreichen, speziell in den neuen Bundesländern, deren BürgerInnen noch einen Nachholbedarf an deutschen Schlagern haben. Eine derartige Zuwachsrate ist allerdings illusorisch, weil die Kabelnetze voll sind. Aber vielleicht erweist sich Onyx ja besonders versiert auf juristischem Terrain: In Niedersachsen und Baden-Württemberg laufen derzeit Klagen des Senders gegen Entscheidungen der Landesmedienanstalten zugunsten von Viva 2 und VH-1.

In einem neuen Vergabeverfahren könnte Onyx immerhin ins Feld führen, daß man, im Gegensatz zu den Konkurrenten, „nicht nur Stars“ präsentieren werde, sondern zum Beispiel auch „die Jazz-Szene in Oldenburg“, wie Hawerkamp in Hamburg erklärte. Sicher meinte er nicht Oldenburg in Holstein, sondern Oldenburg im Einzugsbereich der niedersächsischen Medienanstalt. Und auch für Baden-Württemberg wird sich noch ein hübsches Lokalthema finden lassen. René Martens