: Die Anzeigentafel hält die Hoffnung wach
■ Auf dem Berliner Flughafen Schönefeld warteten verzweifelte Angehörige und sensationslüsterne Journalisten auf Nachrichten von dem abgestürzten Flugzeug
Berlin (taz) – Die Abfertigungshalle im Flughafen Schönefeld ist weiträumig abgesperrt. 176 Urlauber sollen um 14.10 Uhr landen. Achtundachtzig Menschen wollen in Berlin aussteigen, der Rest will weiterfliegen nach Frankfurt/ Main. Es sind hauptsächlich Familien, die vom Urlaub in der Karibik zurückkehren wollten. An Schalter 17 und 18 treffen sich die Angehörigen und Freunde von Opfern der Unglücksmaschine. Nur sie dürfen diesen Bereich betreten und werden in einen seperaten Raum hinter eine Milchglasscheibe begleitet. Viele erfahren erst im Flughafengebäude die schreckliche Nachricht von dem Flugzeugabsturz in der Karibik.
„Keine Fragen bitte, wahren sie die Pietät“
Draußen vor der Halle wehen die Fahnen auf Halbmast, drinnen vor dem Schalterbereich lauern seit gestern vormittag die Journalisten. Reporter, Kameraleute und Tonmänner gieren in einer langen Schlange vor dem Abfertigungsbereich auf Betroffene.
Alle Angehörigen müssen diesen Spießrutenlauf durchmachen. Ein Ehepaar wird durch das Spalier von Kameras und Mikrophonen geführt. Die beiden sind den Tränen nahe. Die Hosteß und Sicherheitskräfte schirmen sie bald von der neugierigen Menge ab. „Keine Fragen bitte, wahren sie Pietät“, fordern sie vergeblich die Journalisten auf.
„Wir können es nicht anders organisieren“, sagt die Pressesprecherin der Flughafengesellschaft, Rosemarie Meichsner. Offenbar ist das Flughafenmanagement mit der Situation überfordert. Erst nach eineinhalb Stunden ist endlich der Unglücksflug ALW 301 mit der Ankunftszeit 14.10 Uhr von der Anzeigentafel verschwunden. Verzweifelte und fassungslose Gesichter von Angehörigen und Freunden schauen in die Fernsehkameras, einige stammeln in die Mikrophone. Ein älterer Mann im blau-grauen Arbeitsanzug kommt die Treppe des Terminals A hinauf.
Bis zum Nachmittag dauerte die Unsicherheit
Sofort versinkt er im Pulk der wartenden Journalisten, die ihn, bewaffnet mit Mikrophonen, Kugelschreibern und Kameras, ausfragen. „Ich wollte meinen Arbeitgeber abholen“, sagt er mit belegter Stimme. „Die ganze Familie ist an Bord, auch die beiden Kinder, ein Mädchen und ein Junge.“ „Scheißjob“, schreit der Redakteur vom dpa/Audiodienst.
Erst hinter der Milchglasscheibe sind die Menschen vor dem Blitzlichtgewitter sicher. Seit dem Vormittag sind dort fünf Ärzte, sechs Psychiater, Flughafenpersonal und das Deutsche Rote Kreuz im Einsatz.
34 Angehörige haben sich bis zum späten Nachmittag gemeldet. Weil die Passagierliste erst sehr spät übermittelt wurde, waren am Nachmittag auch noch nicht alle Angehörigen informiert.
„In der ersten Phase nehmen sie die Nachricht ruhig auf und schweigen. Danach kommen oft die Tränen“, sagt Klaus Walter, Chef der Schönefelder Flughafen- Feuerwehr: „Jeder findet sich mit dem Ungewissen auf seine Art ab.“ Um Gefühlen und Emotionen freien Lauf zu lassen, stehen mehrere Räume zur Verfügung. Der Flughafen bietet auch eine seperate medizinische Versorgung. Eine Arztpraxis ist in Betrieb. Herzinfarktgefährdete können sofort betreut werden.
88 der 176 Passagiere wollten in Berlin aussteigen. Doch wer direkt aus Berlin und aus dem Umland kommt, ist noch ungewiß. Eigentlich sollte die Unglücksmaschine direkt nach Frankfurt weiterfliegen. Dafür wird nun eine Ersatzmaschine bereitgestellt. „Vom Weiterflug ist noch kein Passagier zurückgetreten“, sagt die Pressesprecherin.
„Wir haben einen Angehörigen“, gibt der ARD-Reporter über sein Handy durch. Journalisten tigern vor dem Abfertigungsbereich auf und ab. Torsten Teichmann
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