■ Soll die PDS die Vereinigung von 1946 als Unrecht anerkennen ?: Die PDS muß sich entscheiden
Ich kann die von der Redaktion der taz gestellte Frage nicht ernsthaft beantworten. Schließlich habe ich keine Erwartungen an das Verhalten einer anderen Partei zu formulieren. Sie ist frei, dieses oder jenes zu tun. Aber natürlich ist es mein Recht, meine Meinung zu dem zu äußern, was sie tut.
Stellen wir uns die Jahreswende 1989/90 einmal anders vor. Hans Modrow und Gregor Gysi hätten die Kraft und den Anstand gehabt, die verkommene Staatspartei SED aufzulösen. Und aus ihren Überresten hätten sich zwei neue, eine sozialdemokratische und eine kommunistische Partei (und vielleicht auch weitere Parteien) gebildet. Die eine hätte das untergegangene Erbe der SPD von 1946 angetreten, die andere die Tradition von KPD und SED fortgesetzt, die spätestens 1948 zu einer stalinistischen Partei umgeformt war. Die genannten Personen hatten weder die Kraft noch den Anstand zu diesem Schritt, ihr Blick galt der in Apparat, Mitgliedern, Konten und Immobilien verkörperten Macht.
Und so möchte sie heute als PDS eben von allem ein bißchen sein: ein bißchen Nachfolgerin der SED, ein bißchen linkssozialistisch, ein bißchen sozialdemokratisch. Das zwingt zu permanentem Lavieren, ermöglicht kein klares Bekenntnis zur Schuld des Geburtsfehlers der eigenen Partei.
1994, als man noch auf Ministersessel in Schwerin hoffte, erschien es opportun, sich ein wenig vor den Opfern zu verneigen und die eigene Verantwortung ein wenig anzunehmen. Man lese aber zugleich die am Folgetag (!) im fernen Bonn veröffentlichte Stellungnahme der PDS-BundestagsmitarbeiterInnen – offensichtlich witzig gemeint –, in der die SPD (historische Schuld aufrechnend) zur Entschuldigung für eine ganze Liste von Ereignissen von den Kriegskrediten 1914 bis zur Ausgrenzung von PDS-Mitgliedern aufgefordert wurde. Dies war eine Antwort aus den Reihen einer Partei, die die vierzigjährige flächendeckende Auslöschung von Sozialdemokratie auf ihrem Territorium zu verantworten hat.
Alle seriösen Historiker sind sich – ungeachtet des umstrittenen Begriffs der „Zwangsvereinigung“ – einig, daß es sich um einen mit Zwang, Repression, Drohung, Betrug und Täuschung durchgesetzten Prozeß mit vielen, vielen Opfern gehandelt hat. Die Erklärung der historischen Kommission der PDS verschleiert diesen Vorgang mehr, als daß sie ihn offenlegt. Die Partei verbeugt sich damit vor dem vermeintlichen Lebensinhalt der vielen notorischen DDR-Nostalgiker in ihren Reihen. Sie verneigt sich nicht vor den Opfern!
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