Ein Nebensatz zum Sondermüll

■ Die kleinen Tricks der Müllofenfirma „Thermoselect“

Karlsruhe (taz) – Sie soll Wunder tun, die geplante Müllverbrennungsanlage der Firma „Thermoselect“ in Karlsruhe. Eine Probeanlage in Oberitalien ist jedenfalls als „Wunder von Verbania“ in die Geschichte eingegangen, und eben so ein Wunder soll von 1999 an im Karlsruher Rheinhafen jährlich 225.000 Tonnen Haus- und Sperrmüll durch den Schornstein blasen.

Der von der Badenwerk-Tochter Thermoselect (Geschäftsführer ist der frühere SPD-Entwicklungsminister Rainer Offergeld) entwickelte Ofen führt seit Jahren zu erbittertem Streit zwischen MüllverbrennungsgegnerInnen und Stadtverwaltung.

Jetzt hat die Bürgerinitiative ungewollt Rückenwind durch die Stadt Karlsruhe erhalten: Im Genehmigungsverfahren wurden ohne Wissen des Gemeinderats die Grenzwerte an Schwermetallen um das Dreifache erhöht: Statt der zugesicherten 0,01 Milligramm versuchte die Verwaltung still und heimlich 0,03 Milligramm durchzudrücken. Außerdem sollte durch einen Nebensatz die Anlage auch für „besonders überwachungsbedürftige Abfälle“ – sprich Sondermüll – zugelassen werden.

Die Schummelei flog wenige Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist beim Regierungspräsidium Karlsruhe auf und sorgte für Empörung unter den Gemeinderäten von SPD, Bündnisgrünen und der Karlsruher Liste. Mit ihren Stimmen wurde die Stadtverwaltung nun zu einem wohl einmaligen Vorgang verpflichtet: Sie muß in dem von ihr selbst eingeleiteten Genehmigungsverfahren bis zum 22. Februar Einwendungen geltend machen.

Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen den derzeitigen Städtetagspräsidenten und Oberbürgermeister Gerhard Seller (CDU), der von der heimlichen Umwidmung des Müllofens gewußt haben soll. Gegen ihn hat die Bürgerinitiative ein Aufsichtsverfahren beim Regierungspräsidium beantragt und außerdem Sammeleinwendung gegen die Thermoselect- Anlage angekündigt.

Schon jetzt hat die Umweltbelastung durch Schwermetalle nach einer Analyse der Karlsruher Ärzteschaft in der Stadt ein „gefährliches Ausmaß erreicht“. Erschrocken sind viele KarlsruherInnen auch durch einen anderen Nebensatz in den Planungsunterlagen: Die Schiffanlegestelle des Müllofens soll „bei Bedarf“ ausgebaut werden können. Dahinter wittern Mitglieder der Bürgerinitiative den Versuch, die Anlieferung für „Sondermüll im großen Stil“ zu ermöglichen. Philipp Maußhardt