: „Erwärmung des sozialen Klimas“
■ Spendenparlament im Rathaus gegründet / 700 Mitglieder verteilten 20.000 Mark Von P. Faller
Gegen Armut, Obdachlosigkeit und Isolation soll es sich wenden, das Spendenparlament, das gestern im großen Festsaal des Rathauses gegründet wurde. Die 700 anwesenden Mitglieder – insgesamt sind es mehr als 1400 – durften zum ersten Mal ihre Stimmkarten heben, um über die vier dringlichsten Förderprojekte abzustimmen. Die OrganisatorInnen rechnen mit mehr als 400.000 Mark in diesem Jahr.
Alles nahm seinen Anfang mit der Obdachlosenzeitschrift Hinz und Kunzt, ebenfalls eine Idee des Leiters des Diakonischen Werkes Stephan Reimers. „Menschen die früher geflissentlich aneinander vorbeisahen, sind auf einmal in Kontakt getreten“, so sein Resümee. Deshalb sei für ihn dieses Spendenparlament eine logische und notwendige Folge, um die „Erwärmung des sozialen Klimas“ weiter voranzutreiben. Und: „Wo Last ist, muß auch Lust sein.“ Deshalb habe man sich für diese basisnahe Mitwirkung entschieden, die nebenbei steuerliche Absetzbarkeit gewähre.
Das Diakonische Werk Hamburg beweise nicht zum ersten Mal, daß man mit einer unkonventionellen Ansprache, „Zähigkeit und Frische“ die Menschen dieser Stadt erreichen könne, lobte die Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape.
Stadtvätern und -müttern, die sich bereits darauf freuten, künftig ganz ohne schlechtes Gewissen bei Fördermitteln kürzen zu können – nach dem Motto, das Spendenparlament werde es schon richten – erteilte die Ehrenpräsidentin Thea Schönfelder eine Absage. Das Projekt wolle keine staatliche Hilfe ersetzen, auch wenn viele unter den ersten 24 AntragstellerInnen von der behördlichen Rotstiftpolitik betroffen sind. Für Thea Schönfelder bietet das Parlament nicht nur die Möglichkeit, sinnvoll Geld auszugeben, sondern auch, die Stimme und die Hand gegen soziale Ungerechtigkeiten zu erheben und vielleicht auch in verschiedenen Projekten mitzuarbeiten. Zwei Drittel der WohltäterInnen, die 120 Mark im Jahr zahlen, sind Frauen, – die meisten wohlhabend. Die Ehrenpräsidentin hofft auf eine „bereichernde Partnerschaft“ in dem Sinne, daß das Projekt für betuchtere BürgerInnen eine Art „Bewußtseinserweiterung“ in Sachen Armut sein kann. Denn die Finanzkommission, die die Förderanträge entgegennimmt, soll die Projekte dezidiert vorstellen.
Die dringlichsten vier Projekte sollten bei der Sitzung bereits den Zuschlag erhalten, der Rest folgt im März. 8900 Mark bekommt die Tagesaufenthaltsstätte für Bedürftige und Obdachlose in der Billrothstraße – betrieben von Bahnhofsmission und Stadtmission Altona, für eine Tiefkühltruhe und Lebensmittel.
Mit 3000 Mark wird eine Erholungsreise für zehn teils schwerstbehinderte Kinder aus dem Kindertagesheim der Philomenkirche Poppenbüttel finanziert. Das Projekt Frauenfrühstück in Osdorf und Lurup der Großstadtmission Altona soll 5250 Mark für Kinderbetreuung erhalten. 2500 Mark bekommt eine Initiative zur Betreuung von Obdachlosen in Wohncontainern an der Trinitatiskirche in Altona zur Verlängerung des Wohncontainerprojekts der Stadt.
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