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Bergedorfs ungeliebte Kinder

■ Die SPD würde dem Geschichtskontor gar zu gerne den Geldhahn verstopfen Von Ulrike Winkelmann

Eine neuen Runde im Kampf „SPD Bergedorf gegen Geschichtskontor“ ist eingeläutet. Der Bergedorfer SPD-Fraktionsvorsitzende Christoph Mallok und seine Kollegin Bärbel Barnbeck haben einen rechten Haken gelandet: In einer „Großen Anfrage“ begehrten sie kürzlich von der Bezirksversammlung zu wissen, wieviel Geld dem „Kultur- und Geschichtskontor“, einer Bergedorfer Geschichtswerkstatt, von der Kulturbehörde zufließt.

Kaum zu überhören der böswillige Unterton in der Frage, was denn „die Arbeit dieser Einrichtung von den Arbeiten Bergedorfer Bürger, die sich seit vielen Jahren mit (...) der Dokumentation der Geschichte des Stadtteils (...) beschäftigen“, unterscheide. Die Antwort darauf dürften die Fragenden schon kennen: Das Kultur- und Geschichtskontor geht mit der Bergedorfer Stadtteilpolitik weit kritischer um als die meisten anderen BürgerInnen: Kein Abriß, kein Straßenbau südlich der Elbe, der von den Stadtteilaktivisten Dieter Hintze, Jörn Lindemann und nicht zuletzt Geerd Dahms unkommentiert geblieben wäre. Das Problem der SPD: Die Kontoristen finden damit öffentliche Zustimmung.

138.000 Mark hat das Kontor bzw. die dazugehörige „Initiative zur Erhaltung historischer Bauten in Bergedorf und Umgebung“ 1995 von der Kulturbehörde erhalten. Zuviel, findet Mallok: Für „unangemessen“ hält er die Förderung angesichts der knappen Mittel, die der Bezirk selbst für seine kulturellen Einrichtungen zur Verfügung hat. „41.000 Mark im Jahr müssen wir jährlich unter hundert Initiativen aufteilen“, jammert der Fraktionschef. Von der Bezirksverwaltungsreform, die nach Senatsplanung noch in diesem Jahr über die Bühne gehen soll, erhofft er sich mehr Mitspracherecht: „Dann werden die Stadtteilkulturmittel von den Bezirken verwaltet.“

Angesichts der dräuenden Wolken am Horizont begaben sich Lindemann und Hintze auf eine Tour de Presse, um die öffentliche Meinung erneut auf ihre Seite zu ziehen, denn: „Seitdem es uns gibt, versuchen die, uns totzukriegen“, so Lindemann. Was Wunder, denn die Geschichtswerkstättler haben in den vergangenen Jahren nicht nur vielbeachtete Ausstellungen organisiert und gerngelesene Bücher geschrieben, sondern zum Beispiel auch die „Speckenhäuser“ besetzt, historische Handwerkshäuschen im Bergedorfer Kern, die dann doch einer Tiefgarage zum Opfer fielen. Noch größeren Ärger gab's, als die Initiative den Lohbrügger Wasserturm nicht herausrücken wollte. Der Bezirk befand das Nutzungskonzept der Alternativ-Kultur-Clique nicht für ausreichend und verschenkte das Industriedenkmal 1994 lieber an einen Autohändler.

„Das alles hat mit Animositäten und persönlichen Feindschaften überhaupt gar nichts zu tun“, bestreitet Fraktionschef Mallok den Vorwurf, daß der Umgang mit dem Kontor an eine Provinz-Vendetta erinnere. Die Opposition sieht das anders: „Die vom Kontor sind seit Jahren die ungeliebten Kinder des Stadtteils“, bestätigt Susette Schreiter, die für die GAL im Bergedorfer Kulturausschuß sitzt. Selbstredend müsse die Arbeit des Kontors weiter gefördert werden. „Bevor SPD und CDU noch irgend etwas unternehmen, soll das Kontor erst einmal Gelegenheit haben, seine Arbeit vorzustellen.“

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