: Ein „bedrückend normaler“ Mörder
■ Sechsfacher Mörder nach Gutachterurteil zurechnungsfähig
Als einen „normalen“ Mörder hat der Gutachter Wilfried Rasch gestern vor Gericht den 35jährigen Malergehilfen Thomas Rung bezeichnet. Der Angeklagte sei voll schuldfähig. Zugleich erklärte Rasch, es sei „bedrückend“, daß jemand wie Rung „normal“ sei.
Der Angeklagte leide weder unter sexuellen Perversionen, noch sei er geisteskrank. Rung habe Probleme, normale sexuelle Kontakte aufzubauen. Obwohl er „zur Gruppe der asozialen Notzüchter“ gehöre, sei er „kein typischer Sadist“. Er habe die Frauen umgebracht, damit sie ihn nicht identifizieren konnten.
Neben Kritik an der polizeilichen Ermittlungstätigkeit – für einen Mord, den der Angeklagte nach seiner Festnahme gestanden hatte, war vor elf Jahren ein Unschuldiger verurteilt worden – erscheint jetzt auch die Begutachtungspraxis in einem schlechten Licht. Der Neurologe Wilfried Rasch kritisierte die Gutachten von 1993, als der Angeklagte wegen versuchter Vergewaltigung im Vollrausch in die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik eingewiesen worden war. Statt sich um Rungs sexuelle Probleme zu kümmern, hätten sich die Gutachter und das Gericht nur auf dessen Alkoholprobleme konzentriert.
Der Angeklagte hatte bereits in den 80er Jahren mehrere Male wegen versuchter und vollendeter Vergewaltigung im Gefängnis gesessen. Möglicherweise hätten die letzten Morde verhindert werden können, so Rasch. Im Februar letzten Jahres erwürgte und ertränkte Rung den Sohn seiner Stiefmutter und vergewaltigte und erwürgte eine Freundin seiner Lebensgefährtin.
Der 35jährige Anstreicher muß sich seit dem 30. Januar wegen sechsfachen Mordes, Raubes mit Todesfolge und Vergewaltigung vor Gericht verantworten. Überraschend gestand Rung gestern einen weiteren Mord. Bereits bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte er erwähnt, in den achtziger Jahren einen Rentner in seiner Wohnung überfallen zu haben. Weil er damals aber nur sehr ungenaue Angaben machte, wurde der Fall als ungeklärter Raub zu den Akten gelegt. Die Staatsanwaltschaft will „nachhaken“. Barbara Bollwahn
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