„Wenn es gut läuft, gibt es Dividende“

Neue Wege aus der Arbeitslosigkeit: Ein neues Beschäftigungsmodell bewahrt 85 Beschäftigte der Telefunken-Sendertechnik vorerst vor dem Gang zum Arbeitsamt  ■ Von Plutonia Plarre

Der bittere Gang zum Arbeitsamt bleibt einem Teil der Belegschaft der früheren Telefunken- Sendertechnik GmbH zunächst einmal erspart. Fünfundachtzig Beschäftigte, die wegen Veränderung der Absatzmärkte Ende 1995 entlassen werden mußten, dürfen weiter malochen. Erfolg einer in Berlin bislang einzigartigen „Beschäftigungsinitiative, die nach dem dualen Konzept“ aus dem Boden gestampft wurde.

Das Projekt wurde gestern in einer Fabrikhalle der alten Telefunken GmbH im Beisein von Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) und der Belegschaft öffentlich vorgestellt. Es orientiert sich am Vorbild einer für den Standort Landsberg/Lech der Deutschen Areospace AG (Dasa) entwickelten sogenannten Auffanggesellschaft.

Bei Telefunken hatten sich das Arbeitsamt, Betriebsrat und die alte Geschäftsführung auf einen aktiven Sozialplan geeinigt. Die Auffanggesellschaft besteht aus zwei Säulen: der Qualifizierungsgesellschaft Berlin (AQB) und der marktorientierten Wirtschaftsgesellschaft für Elektro-, Metall- und Oberflächentechnik (Emotec).

Jeder zweite UKW-Sender und Fersehsender für die Zweit- und Drittprogramme von ARD und ZDF wurde bislang von Telefunken geliefert. Zum Jahresbeginn hatte die Eigentümerin Dasa das Berliner Traditionsunternehmen Telefunken an die amerikanische Firma Continental Electronics Corporation verkauft. Die Firma behielt zwar ihren Namen und ihren Sitz in Berlin, entließ aber 150 von 300 Beschäftigten.

Da dies schon seit September 1995 bekannt war, hatten die Beteiligten Zeit genug gehabt, das neue Beschäftigungsmodell zu entwickeln. 85 der 150 Entlassenen erklärten sich zu der Arbeit in der Beschäftigungsinitiative bereit: Für die kommenden zwei Jahre sind 70 Beschäftigte in der AQB angestellt. Dort sollen sie weiterqualifiziert werden und bekommen als Lohn ein sogenanntes Strukturkurzarbeitergeld. Zudem übertrug die Telefunken-Alteigentümerin Dasa der AQB kulanterweise ein Maschineninventar im Wert von über 4 Millionen Mark. Außerdem sind 13 Millionen Mark in die Gesellschaft geflossen, die sonst als Sozialplanmittel ausgezahlt worden wären. „Unterm Strich habe ich genausoviel wie früher in meiner Lohntüte“, versicherten einige Arbeiter gestern der taz.

Weitere 15 ehemalige Telefunken-Werker sind in der Wirtschaftsgesellschaft Emotec beschäftigt. Die Emotec erhält zwar Aufträge aus dem Telefunken- Stammbetrieb, muß aber eigene Aufträge akquirieren, wenn sie sich am Markt behaupten will. Schließlich hat die Gesellschaft die Aufgabe, nach Ablauf der zweijährigen Qualifizierungszeit für die 80 Beschäftigten der AQB einen Arbeitsplatz zu beschaffen. „In einem Jahr muß die Emotec den Banken zeigen, daß sie wirtschaftlich ist“, betonte gestern Helmut Wolfseher vom Mittelstandsinstitut Kempten, der im Vorstand der Emotec sitzt.

Das Stammkapital der Emotec von 110.000 Mark wurde zum Teil von den Arbeitern selbst aufgebracht. Ziel ist es, daß sich alle Arbeiter als Aktionäre mit 5.000 bis 10.000 Mark beteiligen, um das Kapital so schnell wie möglich auf eine Millonen Mark zu erhöhen.

Dafür, daß sie bei einem Konkurs der Firma neben dem Arbeitsplatz nicht auch noch die Ersparnisse verlieren, will Wolfseher Vorsorge getroffen haben: „Es gibt die Zusage von der Politik, daß die Aktien zu 80 Prozent verbürgt werden.“ Ein Arbeiter im Hintergrund rieb sich die Hände: „Und wenn es gut läuft, gibt's Dividende.“