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Bach mit Birne

■ Ein Gitarrenbauer-Duo aus Tübingen hat dem Tropenholz abgeschworen

Leonard Cohen und Bob Dylan, Jim Croocie und Joan Baez – alle schrammeln sie über Palisander, Mahagoni und Ebenholz, um ihren Songs das rechte Timbre zu verleihen. Denn die meisten Gitarren werden aus tropischen Hölzern gebaut, massiv oder furniert. „Das hat sich so eingebürgert. Und viele Musiker“, sagt der Gitarrenbauer Gerhard Schnabel, „wollen auf die Klangqualitäten der tropischen Gewächse nicht verzichten.“

Gitarren ohne Tropenholz – geht das überhaupt? Eine kleine Firma in Tübingen, „Pro Tierra“, hat es ausprobiert. Seit zwei Jahren bauen Gunther Reinhardt und Rudolph Blazer Gitarren aus dem Holz von Birn- und Kirschbaum, Ahorn und Walnußbaum. Gitarren ohne Tropenholz – ein PR-Gag in Zeiten sterbenden Regenwaldes? Keineswegs. „Unser Ansatz war ursprünglich gar nicht die tropenholzfreie Gitarre, sondern ein Instrument, das qualitativ interessant, erschwinglich, aus massivem Holz gebaut ist und sich von den anderen Gitarren auf dem Markt unterscheidet.“ Der Weg: zurück zu heimischen Hölzern. „Wenn man von klassischen Tonhölzern wie Mahagoni redet, spricht man von den vergangenen 100 Jahren“, so Reinhardt, „zu Mozarts Zeiten aber wurden Zupfinstrumente aus hiesigen Hölzern gefertigt.“

Im Gitarrenbau haben die edlen Hölzer aus tropischen Breiten die europäischen Gewächse verdrängt. Manche Tropenhölzer lassen sich leichter verarbeiten, weil weder Astlöcher noch Verwindungen stören. Doch nur für die teuren Gitarren wird massives Tropenholz verwendet. Die preisgünstigeren für weniger als 1.000 Mark bestehen oft aus furniertem Holz. Und diese Furniere bringen die Töne nicht voll zum Klingen, weil sie nicht die richtige Spannung haben, so Reinhardt.

Das Holz für die Gitarren von „Pro Tierra“ zu finden ist mühsam. Damit die Gitarre die richtige Klangqualität hat, muß das Holz bestimmte Kriterien erfüllen. Fichten zum Beispiel müssen nicht nur sehr dicke Stämme haben, sondern auch besonders langsam gewachsen sein. 300 bis 400 Jahre sind sie alt. So ein Holz findet man nur in wenigen Regionen, beispielsweise in den Alpen zwischen 1.200 und 1.800 Meter Höhe. Gunther Reinhardt geht daher von Zeit zu Zeit selbst in den Wald und sucht sich mit den Holzfällern die richtigen Bäume aus. Drei bis vier Jahre lang muß das Holz lagern. Dann geht es nach Spanien, zu einer Manufaktur in Valencia. Dort werden die Gitarren nach den Entwürfen des Tübinger Duos gebaut. Leicht war es nicht, die Gitarren auf den Markt zu bringen. Freilich, auch sonst sind heimische Hölzer, allen voran Fichte, Zeder und Ahorn, in der Gitarrenproduktion längst gang und gäbe. „Doch nach wie vor machen die Tropenhölzer den Löwenanteil aus“, meint der Gitarrenbauer Gerhardt Schnabel. „Schon aus optischen Gründen werden die Gitarren meist mit einer Edelholzschicht versehen. Das hat sich so eingebürgert.“

Vor allem bei Profis gibt es Vorbehalte gegenüber hiesigen Hölzern. Nach wie vor gelten tropische Gewächse wie Rio-Palisander als das beste Material. „Das ist einfach eine Frage der Klanggewohnheit“, vermutet Reinhardt, „doch Birne oder Walnuß klingt anders, nicht besser oder schlechter als Tropenholz. Deshalb haben wir auch nicht versucht, mit Kirschholz den Klang von Palisander zu imitieren. Jedes Holz hat eben seine eigene Klangfarbe.“ Auch Schnabel hält die Unterschiede in der Klangqualität für minimal, entscheidend höchstens für professionelle Konzertmusiker. „In der Branche wird durchaus an Alternativen gearbeitet“, sagt Schnabel. Doch die Industrie müßte mehr mitziehen, und die Musiklehrer müßten von alten Gewohnheiten abrücken.

Insgesamt werden nur sehr bescheidene Mengen Tropenholz beim Gitarrenbau verbraucht. Das betont auch der Bundesinnungsverband des Musikinstrumenten- Handwerks in Düsseldorf. „Und doch ist es zum großen Teil einfach unnötig“, sagt Reinhardt, „wir wollten auch zeigen, wie man wirtschaftlichen Erfolg und Umweltschutz sinnvoll kombinieren kann.“

Inzwischen hat sich „Pro Tierra“ etabliert. Seit 1994 haben Blazer und Reinhardt an die 2.000 Gitarren verkauft. Bereits 150 Einzelhändler in ganz Deutschland haben diese Instrumente in ihrem Sortiment. Auf der Musikmesse in Frankfurt wird er sein nächstes Modell vorstellen: eine tropenholzfreie Westerngitarre aus kanadischen Hölzern. Anja Dilk

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