Denn sie wissen nicht, was sie wollen

■ RWE&Co. und ihr Verhältnis zu erneuerbaren Energien: Nach der Tschernobyl-Katastrophe taten die Stromkonzerne so, als seien sie für den Umstieg bereit. Heute gilt das Wort von gestern nicht mehr

„Das Einspeisen von Windstrom ins öffentliche Netz ist erprobt und kein Problem.“ Und: „Die Solarzelle ist der einfachste und mit der Umwelt verträglichste Stromerzeuger. Ihr Betrieb verursacht weder Lärm noch Abgase oder Abwärme, sie ist dauerhaft, sie braucht keine Wartung.“ So die Aussagen der Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft (IZE). Dem kann Dr. Bernd Stoy von der RWE Energie AG nur zustimmen: „Jedenfalls darf es nicht dabei bleiben, daß man die Nutzung regenerativer Energieträger nur duldet. Man muß sie wirklich wollen.“ Und finanziell fördern. Stoy rechnet „mit weniger Förderung als für die Kernenergie mit einem mindestens ebenso hohen Anteil am Energiebedarf im gleichen Zeitraum“. Ein Vorgeschmack auf den ersten April?

Keineswegs: die genannten Zitate sind zehn Jahre alt. Kurz nach der Ölkrise hatten die Energieversorger ein enormes Interesse an erneuerbaren Energien. In einer Broschüre ihres Sprachorgans IZE hieß es weiter, daß der Beitrag der Windenergie „von keinem Öl-, Kohle oder Urankartell beeinflußt werden“ könne. Und das machte die Erneuerbaren so attraktiv für die Stromkonzerne. Etwaige auftauchende Probleme waren zum Lösen da: „Auch der Einwand, die sprichwörtliche Unzuverlässigkeit des Windes lasse seine Nutzung zur Stromerzeugung innerhalb eines Netzes nicht zu, sticht nicht. Zum einen ist nämlich das Windangebot in gewissen Grenzen durchaus vorhersehbar; es harmoniert sogar mit dem Jahresgang des Stromverbrauches insofern, als im Winter die Winde viel stärker wehen als im Sommer. Zum anderen lassen sich Flauten durch Verbund zwischen zwei auseinanderliegenden Windkraftanlagen überbrücken, und in Zeiten hohen Windangebotes kann die Windenergie gespeichert werden.“ Bewundert wurde die „zupackende Art der Amerikaner“, die, während Europa noch nicht einmal forscht, bereits Windfarmen aufgebaut hatten, „die aus Dutzenden, ja Hunderten von Windgeneratoren bestehen. Es wäre – siehe Elektronik – nicht zum ersten Mal, daß Europa den Zug verpaßt.“ Der Durchbruch der Windenergietechnik wurde ausdrücklich gewünscht: „Dieser Durchbruch wäre ja eigentlich eine Wiederkehr, denn im Laufe seiner Geschichte zählte das Windrad in verschiedenen Erdteilen und zu verschiedenen Zeiten zu den wichtigsten Energiequellen.“ Überschriften wie „Gut verträglich mit Stromnetz und Umwelt“ oder „Nennenswerter Strom-Beitrag möglich“ waren keine Seltenheit, wenn die IZE von den Erneuerbaren sprach. Das war 1986, im Jahr der Tschernobyl- Katastrophe.

In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. 1991 trat das Stromeinspeisungsgesetz in Kraft, das mit einem Mal die Windstromerzeugung wirtschaftlich machte. Zwar erst nur an der Küste, doch mit dem Preisverfall bei Windkraftanlagen werden jetzt immer mehr Standorte im Binnenland interessant. Seit etwa drei Jahren wird eine Variante des Stromeinspeisungsgesetzes für den noch etwa zehnmal teureren Solarstrom diskutiert und umgesetzt. Die kostendeckende Vergütung („Aachener Modell“) hat für die Solarstromerzeugung die gleichen positiven Auswirkungen wie das Stromeinspeisungsgesetz für die Windkraft. Beide werden auch etwa gleich heftig von den Stromkonzernen und der IZE bekämpft. Denn die erneuerbaren Energien haben sich zwar so positiv entwickelt, wie es die Energieversorger 1986 erwartet haben, aber ganz im Gegensatz zu ihren Erwartungen sind es nicht sie, die die neuen Energien erzeugen und vermarkten, sondern viele, viele kleine private Betreiber. Denn im Gegensatz zu einem Kohlekraftwerk, das nur als Großprojekt wirtschaftlich ist, ist die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien fast unabhängig von der Anlagengröße. Auf dem Hausdach nebenan und dem Acker von Bauer Müller wird plötzlich Strom erzeugt und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk RWE bekommt die Rechnung.

Heute nach erneuerbaren Energien befragt, kommen von den großen Energieversorgern ganz andere Töne. Die Schleswag beispielsweise verlangt in einem Brief an einen Windkraftwerksbetreiber, daß die Windkraftanlage nur dann laufen soll, wenn Strom gebraucht wird: „Dies kann in leistungsschwachen Zeiten bedeuten, daß wir von Ihnen als Einspeiser verlangen müssen, die Einspeisung zeitweise (zeitlich und mengenmäßig) zu begrenzen.“ Diese Forderung ist zwar nach dem Stromeinspeisungsgesetz absolut unzulässig – der Energieversorger ist verpflichtet, den Strom aus erneuerbaren Energiequellen immer abzunehmen und zu vergüten – doch Briefe dieser Art führen zu Verunsicherung bei potentiellen Investoren.

Die Isar-Amperwerke beispielsweise warnen in ihrer neuesten Ausgabe der „Informationen für Kommunalpolitiker“ vor „überzogenen Erwartungen“ bezüglich der Photovoltaik. Der Preis für eine Kilowattstunde Solarstrom könne grundsätzlich nicht unter 1,50 Mark sinken, die Qualität des Solarstroms könne nicht mit herkömmlich erzeugtem Strom konkurrieren, überhaupt seien „Photovoltaikanlagen in unseren Breitengraden – von sinnvollen Nischenanwendungen abgesehen – auf lange Sicht völlig chancenlos gegenüber konventionellen Erzeugungstechniken.“ Das alles würde, „so bedauerlich das klingt“, durch Untersuchungen aus der Praxis bestätigt. Drei Seiten weiter wird in derselben Broschüre eine kleine Gemeinde vorgestellt, die sich bei der Erweiterung einer Schule für eine Elektroheizung entschieden hat. Die Abteilung Energieberatung der Isar-Amperwerke hatte angeboten, eine Gebäudeanalyse mit Kosten und Wirtschaftlichkeitsberechnung zu erstellen. Zwar hatte der zuständige Architekt eine andere Lösung favorisiert, doch „aufgrund der niedrigen Investitions- und Energiekosten hat sich die Gemeinde danach wieder für eine Heizung mit Strom entschieden“, so die Amperwerke: „mit dem positiven Effekt für die Umwelt: weniger Schadstoffe.“ Zumindest vor Ort: Denn der Schornstein des Kraftwerks raucht nicht in der Gemeinde Königsmoos.

Mit ähnlicher Argumentation hat es die RWE kürzlich geschafft, die Stadt Aachen an den Fernwärmetropf ihres Braunkohlekraftwerkes Weisweiler zu hängen. Die Stadt Aachen, sehr um ihren Titel „Bad“ und damit um die Luftqualität innerhalb der Stadt bedacht, ließ sich auf diversen Umweltausschußsitzungen von einer eigenen Strom- und Wärmeerzeugung in Heizkraftwerken abbringen. Sehr zum Bedauern aller elf Aachener Umweltgruppen, die dies für die wesentlich günstigere Variante gehalten haben. Nicht nur ökologisch, sondern langfristig auch finanziell. Monika Kuck, Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Aachener Stadtrat findet es „absolut ärgerlich, daß wir jetzt die nächsten 20 Jahre vom RWE abhängig sind.“ Das bestehende Heizkraftwerk der Hochschule soll noch dieses Jahr stillgelegt werden, wenn es nach dem Willen der Stadtwerke Aachen geht. Diese haben bereits einen Vertrag mit dem RWE geschlossen und stehen nun vor der Aufgabe, die Braunkohleabwärme in ihrem viel zu kleinen Fernwärmenetz unterzubringen. Deshalb wird zusätzlich das Fernwärmenetz der Hochschule benötigt. Die entsprechenden Heizkraftwerke sollen noch dieses Jahr stillgelegt werden. Anfangs hatte sich die Hochschule strikt geweigert, ihren angehenden Ingenieuren die Praxiserfahrung am eigenen Heizkraftwerk zu nehmen. Wie sich die Hochschulleitung umstimmen ließ, ist das Geheimnis der Hochschule und der Energieversorger. Anne Kreutzmann