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Rappervorbild: Franz v. Assisi

■ „Breitseite“ – die CD zur Bremer HipHopszene

Ja, wer sagt denn, daß Rapper nur über sich selbst rappen können? NINA macht es besser: Kein Gangsta-Gehabe, kein „Pardeee“-Gegröle stört in den luftigen Höhen ihrer Dichtkunst – NINA rappt über die Liebe, über die Liebe zu den Tieren. Wie edel, schön und gut sie sind. „Sie sind besser als Menschen, denn sie machen keinen Mist!“ ruft es trotzig von der CD. Selbst der Hl. Franz von Assisi findet Erwähnung. Assisi! Poesie des Mittelalters! Gerapt! Eine der schönsten Überraschungen auf dem „Breitseite“-Sampler, auf dem 15 Projekte die Bremer HipHop-szene in all ihrer Formen- und Farbenpracht ausbreiten.

Nicht alles auf dieser „Breitseite“ klingt so frisch und unverblümt wie NINAs „Hund“ (Text: Katharina Gorecki). Manch' dumpfes Politgemurmel ist auch zu hören – irgendwie gegen Rassismus oder so. Cleverer, witziger sind da die Kommentare von F.A.B. und „Call Me Names“ zur Lage des Geistes in der Zeit. Selbst die p.c.-süchtigen taz-LeserInnen bekommen eine Breitseite Ironie ab. Touché!

Im Ringen um originelle Zeilen besiegen sich manche Rapper aber auch selbst. Bis zum Reimkrampf verbiegen sich die Jungs von „Zentrifugal“, wenn sie ihre Zungenbrecher zusammenstoppeln: „Verflucht, wer die Flucht in der Sucht sucht ...“.

Zusammengehalten aber wird die ganze Herrlichkeit durch die erlesenen Klangmixturen von Vincente „Don“ Celi, der fast sämtliche Tracks produzierte, d.h. die rhythmischen Gerüste für die Raps konstruierte. Der Teufel wird wissen, wie Celi es hinkriegt, daß er den Songs (und damit den 15 Projekten) jeweils eigene Charakteristika zu verleihen vermag, von der treibenden Crossover-Nummer bis zur elegant groovenden Soul-Elegie – und daß die CD trotz alledem wie aus einem Guß klingt. Das nenne ich Kunst!

Für jeden Text, jede Stimmungslage seiner Schützlinge findet der „Don“ die passenden Sounds. Und zwar nicht irgendwelche aus der Schublade. Wenn die Auswahl der Samples von der musikalischen Bildung eines Produzenten zeugt, dann hat dieser hier eine Menge feiner Musik im Hinterstübchen. Auf der „Breitseite“ hört man dreckig knarzende Synthi-Bässe aus der Hochzeit des 70er-Funk, George Clinton läßt schön grüßen; zitiert werden entlegene Pop-Perlen wie XTC, bei denen HipHopper ansonsten gerne weghören; vor allem aber bastelt Celi wirklich relaxte Grooves – die richtige Schmierseife für die frischen Bremer Reime. tw

„Breitseite“, Label: Operation 23, LC 3532.

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