■ Schnittstelle: Ambient beim Videofest
Bildschirmschoner sind eine rätselhafte Angelegenheit. Meistens laufen sie noch schneller als das Arbeitsprogramm. Mit der Sektion „Ambient“ beim Videofest ist es ähnlich: Der Titel verspricht einen ruhigen Abend, die Filme aber rauschen äußerst eilig vorbei. Man merkt es nur bald nicht mehr. Der Franzose Edouard Prisse etwa hat sich mit „The Cult“ offenbar als Ziel gesetzt, in kurzer Zeit möglichst viele Recheneinheiten zu veranimieren. Aus tausend Antennen werden Daten in Grafiken von fliegenden Kuben übertragen und mit Schrammelrock unterlegt. Er nennt es Kommunikation.
Auch Thomas Roppelts „Tania-Drome“ ist Gewirr mit Anspruch. Drei Minuten flimmert eine Art Laserstrahl in der Bildmitte und franst an den Rändern aus. Wer will, kann darin Jackson Pollocks Tropfspuren entdecken, laut Programmheft reagiert das Farbenspiel bloß wie eine Lichtorgel auf den begleitenden Technosound. Das britische Film-Duo Stakker hat sich zur Bebilderung der Aphex- Twin-LP „Selected Ambient Works“ Archivmaterial vorgenommen: Napalm, Hiroshima, NASA-Aufnahmen und Mädchen in nassen Blusen wechseln einander ab. Natürlich klingt es sehr ambitioniert, wenn man den einstündigen Clip als Analyse des Kalten Krieges deklariert. Nach zehn Minuten hat man jedoch eher den Eindruck, in einen Endlos-Trailer der Zeitschrift Geo zum Thema „global village“ geraten zu sein. Mönche hocken beim Gebet, Rindern waten durch Reisfelder, Hochhäuser driften vorbei. Zu Roderich Baas „Marshala“ sei angemerkt, daß auch niederländische Raver keine griechischen Urlaubsvideos einsenden sollten, sonst ist im Ambient bald alles naar de klote. Harald Fricke
Videofest im Podewil, Nightflight5, heute, 22.30 Uhr
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