: Platzverweis für Richter
■ Vertrauliches Senatspapier: Innensenator Wrocklage will das Sicherheitsgesetz ändern, um seine St. Georg-Politik vor Hamburgs Richtern zu schützen Von Silke Mertins
Legalize Platzverweis: Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) hat seine Drohung wahr gemacht. Mit einer vertraulichen Senatsdrucksache will der Chef der Innenbehörde das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) auf sein umstrittenes „Handlungskonzept für St. Georg“ zuschneidern.
Um die Drogenszene aus dem Stadtteil zu drängen, hatte Wrocklage Platzverweise – Aufenthaltsverbot für vier Stunden – und Gebietsverbote – gültig für sechs Monate – für Kleindealer und Junkies angeordnet. Wer dieser Einschränkung der Bewegungsfreiheit nicht nachkommt, wird inhaftiert. Doch ein Teil der Hamburger Haftrichter spielte nicht mit und lehnte „Ingewahrsamnahmen“ nach nicht befolgten Platzverweisen stets ab. Begründung: Platzverweise sind nicht zur Beseitigung von Dauergefahren da. Wrocklage bemühte das Oberlandesgericht, um „Rechtsklarheit“ herbeizuführen. Doch das wies die Klage als „unzulässig“ ab.
Nun schlägt die Innenbehörde zurück: Die „Rechtmäßigkeit der Platzverweise“ könne nicht „Gegenstand bei der richterlichen Prüfung sein“, wenn es um eine Ingewahrsamnahme geht, so das vertrauliche Senatspapier, das der taz hamburg vorliegt. Die „Zweifel in der Sache“ seien richterlicherseits „unberechtigt“, die Amtsrichter kämen zu „unhaltbaren Ergebnissen“, die vom „Gesetz nicht beabsichtigt“ sind, übt der Innensenator massive Richterschelte. Und weil die Amtsgerichte die Gesetze nicht in seinem Sinne auslegen, will Wrocklage nun die Zuständigkeit auf die Verwaltungsgerichte übertragen, von denen er sich „mehr Verständnis“ für seine Politik erhofft: „Der Vorteil läge darin, daß die nach Artikel 104 des Grundgesetzes erforderliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Ingewahrsamnahmen durch Richter erfolgen würde, die in der Anwendung der öffentlich-rechtlichen Normen des SOG erfahren“ sind, so das Papier.
Wrocklages Bemühungen, seine Repressionspolitik in St. Georg nachträglich zu legalisieren, sehen im einzelnen folgende Gesetzesänderungen vor: Platzverweise sind auch dann zulässig, wenn sie nichts bewirken, also – im amtsdeutsch – „die Gefahr nur vermindern oder nur vorübergehend abwehren“. Die Maßnahme könne „in diesem Fall wiederholt werden“, auch für „dieselbe Person“. Schließlich würden auch Dauergefahren wie der Straßenverkehr mit Abschleppen bekämpft, vergleicht der Senator in seiner Begründung eine Ordnungswidrigkeit mit einer Grundgesetzeinschränkung.
Auch für die sechsmonatigen Gebietsverbote will die Innenbehörde das entsprechende Gesetz nachliefern. Zur Verhinderung von Straftaten dürfe einer Person „das Betreten eines Ortes, Stadtteils oder des Stadtgebiets untersagt werden“. Künftig braucht sich danach gar keine Straftat anzubahnen. Allein der Umstand, daß „eine Wiederholung“ zu erwarten sei, soll ausreichen, um Grundrechte einzuschränken. Auch für Junkies sei ein Platzverweis „verhältnismäßig und damit zulässig“. Zudem soll die Ingewahrsamnahme von der „gegenwärtigen Höchstdauer von 48 Stunden auf 4 Tage“ verdoppelt werden.
Das Wrocklage-Papier geht jetzt zur Abstimmung den anderen Fachbehörden zu; wann der Senat sich offiziell mit der Vorlage beschäftigen wird, ist noch unklar.
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