piwik no script img

Bist Du bereit für die Wirklichkeit?

■ Los Angeles von unten: „a.k.a. Don Bonus“ von Spencer Nakasako (Forum)

Der 18jährige Kambodschaner Sokly Ny lernt schlecht. Kurz vor dem High-School- Abschluß hat er in Mathe keinen Punkt und ist bereits einmal durch den Aufsatz gefallen, mit dem die Beherrschung der amerikanischen Sprache geprüft wird. Ohne Diplom wird ihn niemand einstellen. Strafverschärfend kommt hinzu, daß Sokly in Sunnydale/Los Angeles wohnt, einer Müllhalde von sozialem Wohnungsbau. Er verbringt den größten Teil seiner Zeit mit einer Gang von Asiaten, die sich durch Glücksspiel über Wasser hält.

Spencer Nakasako hat mit dem Videofilm „a.k.a. Don Bonus“ statt eines Street-Dramas den dokumentarischen Weg gewählt. Sokly bekam eine Hi-8-Kamera in die Hand gedrückt, und sollte einfach filmen, was in diesen letzten Wochen vor dem Ende der High School um ihn herum vorgeht. Bist Du bereit für die Wirklichkeit? Das Tagebuch beginnt damit, daß „Don Bonus“, wie ihn seine Zockerfreunde nennen, darüber klagt, nicht gleichzeitig leben und filmen zu können.

Am nächsten Morgen schon rast er mit der Kamera zwischen Klassenkameraden umher und filmt allerlei Hip-Hop-Figuren beim Posing aus der Untersicht. Dann sieht man die verwahrloste Wohnung in einem Schwarzen-Viertel, wo der kambodschanische Clan Soklys aus sechs Geschwistern, Mutter und Großmutter drangsaliert wird. Einmal fliegen nachts Steine durch die Fensterfront, das nächste Mal raubt man ihnen den kompletten Hausstand. Dazu erzählt Sokly in langen Passagen, wie er mit der Verwandschaft aus Kambodscha floh, während sein Vater sich den Roten Khmer opferte. Manchmal wird dabei seine Stimme hinter der Kamera sehr dünn, irgendwann fängt er an zu heulen, weil sein großer Bruder sich kaum mehr um die Verwandschaft kümmert. Das alles sieht man in schwankenden Bildern – Fetzen einer Neujahrsfeier, die leeren Straßen von L.A. „a.k.a. Don Bonus“ erzählt nicht nur vom Schicksal der einsam und bindungslos vor sich hin vegetierenden Flüchtlinge in der ethnisch parzellierten Gesellschaft der USA. Man hat immerhin auch Pol Pot überlebt.

Aber der Weg nach unten im Ghetto ist nicht weit: Plötzlich flippt Soklys Bruder Touch aus und schießt auf einen Schwarzen, der ihn gehänselt hat. Der Junge wird in eine Besserungsanstalt nach Philadelphia überwiesen. Der Familienbund schrumpft weiter. Harald Fricke

a.k.a. Don Bonus“, USA 1995, 55 Min, Regie: Spencer Nakasako und Sokly Ny

Heute um 12 Uhr in der Akademie der Künste

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen