■ Querspalte: Wildwechsel im Kaukasus
Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. Und Politik ist Politik. Aber was ist das – Politik? Wird unsere Gewißheit, Politik ist, wenn die Großen dieser Welt im oval office unter vier Augen über Anfang und Ende reden, nicht manchmal erschüttert? Vielleicht macht der Helmut gar nichts mit dem Boris? Nur Shakehands für die Fotografen und dann geht jeder seine Wege, ein Nickerchen in der Suite, ein Wodka auf der Datscha?
Ausgerechnet Boris Jelzin, von dem wir annehmen mußten, er hat mit Politik nicht mehr allzuviel zu tun, ließ uns jetzt wissen, daß wir von Anfang und Ende eben doch nichts verstehen. Wenige Worte reichten ihm (die müssen bei ihm auch reichen), um zu sagen, worum es diese Woche im Kreml ging „Ich habe Helmut gesagt, daß mir seine Frau gefällt, und Helmut hat mir gesagt, daß ihm meine Frau gefällt.“ Also doch! Wir zerbrechen uns den Kopf wegen der Nato- Osterweiterung, und die machen auf Partnertausch. Deswegen immer die Sauna. Von wegen Strickjackendiplomatie, von wegen Helmut und Boris. Helmut und Naina! Wahrscheinlich ohne Strickjacke!
Wie lange geht'n das schon, hä? Gab's da vorher andere? Hat der Dicke im Kaukasus die deutsche Einheit vielleicht mit Raissa ausgeschwitzt? Und was war mit Frau Modrowa? Ist der Zehn-Punkte- Plan 1990 im Schlafzimmer ihrer Dresdener Neubauwohnung geschrieben? (Erika-Reiseschreibmaschine, was?) Fragen eines lesenden Arbeiters. Er erwartet Aufklärung. Wie gern erinnern wir uns bei soviel Zügellosigkeit an den diskreten Charme der sozialdemokratischen 70er. Wie war das schön, als Leonid den Willy höflich fragte, ob er sich mit dessen Frau Ruth mal allein unterhalten dürfe. Er durfte und schenkte ihr später ein Feuerzeug mit eingebauter Uhr. Und 1975 erst, Moskau, wieder Leonid mit Ruth, allein hinterm Haus. „Frau Brandt, hier lege ich Ihnen Moskau zu Füßen!“ rief Herr Breshnew. Und dann lag er auch schon. Mehr war nicht.
Dienst war Dienst, und Schnaps war Schnaps. Jens König
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