: Lukrativer Deal mit Obdachlosen
■ Altona: Mieter sollen illegal vertrieben werden, um für teures Geld Zimmer für Obdachlose an das Landessozialamt zu verhökern Von Heike Haarhoff
Mit der Wohnungsnot Obdachloser und dem Landessozialamt als deren finanzkräftigem Bürgen lassen sich lukrativere Geschäfte machen als mit „gewöhnlichen“ Mietern. Der Hamburger Vermieter Bader el D. weiß das ganz genau: Der Eigentümer des Miethauses Wohlers Allee 76 ist zugleich Besitzer einer Obdachlosen-Pension in der Präsident-Kahn-Straße in Altona. Und weil das Gewerbe mit der Unterkunfts-Bedürftigkeit dort so hübsch floriert, will D. jetzt die derzeitigen Mieter aus der Wohlers Allee rausschmeißen und sich anschließend an Wohnungslosen die goldene Nase verdienen.
Das Vorgehen ist ebenso skrupellos wie leicht durchschaubar: Sobald die Alt-Mieter rausgeekelt sind, werden ihre Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen in Ein-Zimmer-Appartments umgewandelt und zu Höchstpreisen – 600 bis 700 Mark sind nach Schätzung von Sozialarbeitern keine Seltenheit – an das Landessozialamt vermietet. Unzulässige Wohnraum-Vernichtung, ungenehmigte Umbauarbeiten, strafbare Zweckentfremdung und Kündigung der Mietverträge unter falschen Voraussetzungen – gegen die mutmaßlichen Rechtsverstöße ihres Vermieters wandte sich Mieterin Alexandra R. an das Landessozialamt. Das aber will ihre Schilderung nicht kennen:
Am vergangenen Samstag flatterte Alexandra R. die Kündigung für ihre 2,5-Zimmerwohnung im ersten Stock zum 31. August ins Haus. Vermieter D. bedaure, „Eigenbedarf“ geltendmachen zu müssen. Mit seinen drei kleinen Kindern wolle er die beiden, je knapp 50 Quadratmeter großen Wohnungen im Erdgeschoß sowie im ersten Stock beziehen. In der Erdgeschoß-Wohnung werden jedoch seit dem 5. Februar fleißig Wände gezogen und zusätzliche Naßzellen eingebaut. Drei Einzel-Appartments, bestätigten die Bauarbeiter Alexandra R., sollten hier für Obdachlose entstehen, ihre Wohnung sei die nächste. Das Landessozialamt werde die Zimmer anmieten.
Einen Genehmigungs-Antrag für den Umbau kann der Leiter der Altonaer Bauprüfabteilung, Gerhard Salow, aber nicht ausfindig machen: „Wenn da Schwarzbau oder Zweckentfremdung betrieben wird, müssen die Wände notfalls wieder abgerissen werden.“ Die Kollegen vom Wohnraumschutz würden jetzt ermitteln.
Das Landessozialamt hat, so bestätigte Behörden-Sprecherin Petra Bäurle der taz, „die zwölf Wohnungen in der Wohlers Allee 76 für obdachlose Menschen angemietet, die derzeit noch in Hotels leben“. Offenbar ohne jemals vor Ort gewesen zu sein: Denn dort existieren lediglich drei Wohnungen sowie eine ehemalige Werkstatt im Souterrain. Zwei davon sind bewohnt.
Alexandra Rs. Hinweise auf die offensichtlichen Rechtsverstöße seien mit der Bemerkung abgetan worden, Frau R. wolle wohl nicht mit Obdachlosen in einem Haus leben. Von einer Kündigung der Altmieterin sei im Landessozialamt nichts bekannt, beteuert Bäurle: „Das wäre ja das Allerletzte.“ Sie habe am Dienstag eine Kopie des Kündigungsschreibens an den Sachbearbeiter gefaxt, entgegnet Alexandra R.
Naturgemäß behauptete Vermieter D. gegenüber der taz, in die Wohnungen selbst einziehen zu wollen. Landessozialamts-Leiter Helmut Hartmann will sich nun der Sache selbst annehmen: „Wenn die Dinge so sind, stellen wir sie selbstverständlich ab.“
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