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Streichquintett für Fickmaschine

■ Im überfüllten Lagerhaus kombinierte Jung-Komponist Hannes Seidl seine Werke mit Texten von Charles Bukowski

Wir wissen nicht, ob Charles Bukowski selig sich für moderne Kammermusik interessiert hatte. Wir vermuten hingegen, daß er die rauchgeschwängerte Luft im Kioto-Saal mit seiner miserablen Akustik nebst einladendem Bartresen zu schätzen gewußt hätte. Sicher ist: „Bukowski meets Kammermusik“ scheint eine publikumswirksame Mischung zu sein – so sehr, daß das Lagerhaus bald aus den Nähten platzte. Ob wegen der erhofften Stimulierung durch den Klassiker unter den dirty old men oder wegen der Klänge des 18jährigen Komponisten Hannes Seidl, sei dahingestellt. Seidl jedenfalls wollte nicht bloß die pubertäre Seite Bukowskis zeigen und suchte Gedichte und Kurzgeschichten aus des Dichters Frühwerk in den 50ern. Als Bukowskis Obszönitäten-Repertoire sich in Grenzen hielt und noch kein Selbstzweck geworden war. Als es noch auffiel, literarisch ausfällig zu werden und Bukowski-Gedichte noch „Der Sonntagsmaler“ und „Der Vogel“ betitelt waren.

Eine gewisse Affinität zwischen den Werken Hannes Seidls, allesamt uraufgeführt von Musikstudenten der HfK, und den hard boiled stories Bukowskis läßt sich nicht leugnen. Im Duett, im Klaviertrio und im Quintett wechselt Seidl immer wieder die Register. Schräge Glissandi wetteifern mit effektvollen Clustern; die Violinen wimmern mal in den höchsten Lagen, um sich dann in monotonen Klangschleifen mit Jazz-Anleihen zu ergehen. Mal klingt es wie Prokofjew, mal wie Elgar oder, schlicht untermalend, wie Filmmusik.

Nicht hinreichend geklärt war, wie sich das vorwiegend um die Volljährigkeit herum bewegende Publikum zu diesem zwittrigen Abend benehmen sollte. Sich erst mal mit Bier und Wein ausstatten, klar. Fluppe an, sowieso. Die älteren Raucher beschweren sich, daß die Kids die Luft verqualmen. Aber dann sitzen da auf der Bühne sehr ernsthafte junge Musikerinnen und Musiker, so ganz und gar ohne trendiges Outfit, mit ihren noblen Instrumenten, die gemeinhin andächtige Stille gebieten.

Nach der Pause, bei gestiegenem Alkoholpegel und sinkender Feinmotorik mischte sich dann das typische penetrante Geräusch umfallender, herumrollender Bierflaschen mit denen des Quintetts Nr.1 „Erinnerungen an Riga“. Aleatorik war das nicht, mit Unruhe im Publikum mußten Hannes Seidl und seine Musiker schon leben. Die Unruhe kam nicht von ungefähr. Denn nach der gestenreichen Lesung (Martin Winter las sich langsam in Fahrt) von Bukowskis „Fickmaschine“ (allerdings nicht aus dem Frühwerk, dafür um so publikumswirksamer) blieb kein Auge trocken. Wie auch, wenn Indianer-Mikes Halbmeter-Schwanz, soeben von Fickmaschine Tanja aus dessen Leib gerissen, sich auf dem Fußboden windet „und nichts weiter weiß als bluten“. Ein gelinde gesagt herber Kontrast zu den anschließenden Streicher-Klängen des Quintetts Nr. 1. Einigen waren's denn auch zuviel der Düsterklänge, ein zu ungewohntes cross-over. Trotzdem: Vorgestern abend hatte ein gewisser Hannes Seidl gehöriges Kompositionstalent bewiesen. Musik war zu hören, die sich auch ohne Bukowskis Randexistenzen hören lassen kann.

Alexander Musik

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