: Berlinale 96
■ Fotos von Christian Schulz/Paparazzi
Berlinale – Festival der Menschen. Menschen – du siehst sie, doch du kennst sie nicht. Sie machen Sachen, die verstehst du nicht.
Sie reden über Innenpolitik, Inneneinrichtungen oder über ihre Geschlechtermerkmale, weil das andere ermutigt, über ihre Geschlechtermerkmale zu reden. Und das ist gut so. In den Hinterzimmern blöder Hotels zupfen sie einander am Ohr, weil das lustig ist und Männern gefällt, die sich gerne am Ohr zupfen lassen. Das gefällt Männern, die gerne dabei zuschauen, wie sich andere Männer am Ohr zupfen lassen.
Sie arbeiten bei der BVG. Wenn Winterschlußverkauf oder Berlinale ist, kaufen sie sich einen Anzug und sehen dann aus wie Bürgermeister Diepgen. Niemand merkt was. Das ist zum Lachen. „Wähl auch du – CDU!“ Der andere hat sich als Innen-Kanther verkleidet. Er weiß: Schwarzfahren spart Geld und lohnt sich. Alle, die über die Berlinale berichten, fahren schwarz. Die anderen fahren Taxi. Viele lutschen „Energielutschtabletten“ oder nehmen Tabletten, damit sie gut drauf sind, wenn Kameras auftauchen. Anstatt Filme zu gucken, stehen sie rum und unterhalten einander für die Fotografen, die auch keine Filme gucken.
Ansonsten ist ihr Leben öd und leer. Traurig ist das! Früher mal haben sie gern Filme gemacht über die öde Leere bundesrepublikanischer Verhältnisse. Jetzt sind sie's selber.
Wenn Männer mit Kameras auftauchen, rennen sie hin, weil sie sich in den Kameras verstecken wollen, weil es in den Kameras gemütlich ist und warm. Dann sehen sie in die Zeitung und freuen sich an ihrem Lachen. Detlef Kuhlbrodt
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