piwik no script img

Entwarnung für die Marchstraße

■ Innensenator Schönbohm verspricht im Innenausschuß: Keine Räumung der besetzten Häuser. Polizeiaktion zur Luxemburg/Liebknecht-Demonstration nicht aufgeklärt. Polizeivideo unter Verschluß

Die besetzten Häuser Marchstraße/Einsteinufer werden in absehbarer Zeit nicht geräumt. Das versicherten gestern Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) und Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses. Schönbohm sagte, er wolle an der Berliner Linie (Räumung von Neubesetzungen, Verträge für bereits besetzte Häuser und keine Räumung ohne Nutzungsplan) festhalten. Deshalb bestehe „kein Handlungsbedarf“.

In einem Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte deren innenpolitischer Sprecher Wolfgang Wieland den Senator gestern aufgefordert, trotz bestehender Räumungstitel gegen einzelne BewohnerInnen nicht zu räumen und außerdem mit dem Bezirksamt Charlottenburg den Bebauungsplan von 1991 umzusetzen, der für das Gelände Wohnungen vorsieht. Die Räumung käme nicht in Frage, da der Eigentümergesellschaft, die Henning von Harlessem GmbH, keine Abrißgenehmigung vom zuständigen Bezirksamt Charlottenburg vorläge und sie auch keine Bauanträge gestellt habe. Beate Profe, grüne Baustadträtin in Charlottenburg geht davon aus, daß die BesetzerInnen zumindest auch in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht geräumt werden: „Wir müssen jetzt ein Nutzungskonzept mit allen Beteiligten erarbeiten, und so was dauert einfach länger als ein paar Monate“, sagte sie gestern nach der Ausschußsitzung.

Mit den Stimmen von CDU und SPD wurde ein anderer Tagesordnungspunkt ohne Ergebnis vertagt: die von der PDS beantragte Debatte über die Polizeiaktion bei der Luxemburg/Liebknecht-Demonstration vom 14. Januar. AugenzeugInnen, VeranstalterInnen und ein Video vom Eingreifen der Polizei sollten die Ausschreitungen im nachhinein erhellen. Allerdings teilte ein Vertreter der Justizverwaltung, Christoffel, dem Ausschuß mit, der Film bleibe unter Verschluß bei der Staatsanwaltschaft. Diese sehe auch bisher keine rechtliche Grundlage, wie sie die Aufnahmen dem Innenausschuß vorlegen könne. Es folgte eine heftige Diskussion über diese Auffassung, aber keine Debatte zu den Vorgängen bei der Demonstration. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dieter Hapel, warf der PDS ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat vor, PDS und Grüne monierten die Verzögerungstaktik der CDU. Selbst dem SPD-Vertreter Hans- Georg Lorenz gingen die Ausführungen von Christoffel über die Hutschnur: Er sah keinen Grund, warum es nicht möglich sein sollte, für den Ausschuß eine Kopie des Polizeivideos zu machen. „Wenn das Video nur einem Untersuchungsausschuß vorgelegt werden kann, dann machen wir eben einen kurzen, knackigen Untersuchungsausschuß.“ Marion Seelig, innenpolitische Sprecherin, kündigte an, dem Innensenator ein Ultimatum zur Aufklärung zu stellen. „Sonst müssen wir die Vertuschung mit einem Untersuchungsausschuß verhindern“, sagte sie. Barbara Junge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen