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Treuhand hat bei Vulkan nichts gemerkt

Jetzt schimpft der Chef der Treuhand-Nachfolgerin BvS, Hornef: „Jedes Erstsemester weiß, daß die Mittel nicht zurückfließen konnten.“ Treuhand-Wirtschaftsprüfer waren blind  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Über 1,5 Milliarden Mark Steuergelder hat die Treuhand dem Vulkan für die vier ostdeutschen Unternehmen seit 1992 überwiesen. Davon bezahlt werden sollten nicht nur Investitionen. Auch Verluste sollten ausgeglichen und das Eigenkapital der Firmen erhöht werden. Bedingung des Vulkan: Das Geld mußte zunächst in die zentrale Kasse fließen.

854 Millionen Mark haben allein die beiden Werften in Rostock und Stralsund deshalb in den großen Konzerntopf eingezahlt. „Cash management ist in einem Konzern durchaus üblich. Wir haben das mit mehreren Vertragspartnern vereinbart“, sagte gestern Heinrich Hornef, Präsident der Treuhand-Nachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben). Das Zusammenfließen der Gelder eines Großbetriebs auf einem Konto bietet den Vorteil, daß Geld nicht von Banken geliehen werden muß.

Damit das Geld nicht mißbraucht wird, hatte die Treuhand der Vulkan-Spitze 1992 eigentlich zwei Verpflichtungen auferlegt: Das Management sollte sicherstellen, daß die Treuhand-Gelder rechtzeitig für jede Investition an die Werften überwiesen würden. Zum zweiten mußte der Konzern einmal pro Quartal einen Bericht über den Inhalt der gemeinsamen Kasse abliefern und jährlich einen Wirtschaftsprüfer in die Bücher schauen lassen.

Trotz der Kontrollmöglichkeiten: Die Vulkan-Manager verwendeten die Staatshilfen offenbar von Anfang an so, daß eine fristgerechte Auszahlung an die Ostwerften nicht garantiert war. 253 Millionen Mark seien an die klamme Maschinenfabrik Dörries-Scharmann in Mönchengladbach gegangen, stellte die von der BvS beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG jetzt fest.

181 Millionen kostete die Mitgift des Vulkan für die Deutsche See-Reederei/Senator-Line. Und weitere 220 Millionen gingen für den Kauf neuer Firmen oder Kapitalspritzen für alte Betriebe drauf. „Jedes Erstsemester weiß, daß solche Mittel nicht zurückfließen können“, gibt sich Hornef empört.

Doch die Kontrolleure der Treuhand, das renommierte Wirtschaftsprüfungsbüro C & L Treuarbeit merkte offenbar nichts. Das Management in Bremen hingegen wußte schon länger Bescheid. Die KPMG fand ein Protokoll einer Sitzung vom 25. August 1995, bei der ein beträchtliches Finanzloch des Konzerns festgestellt wurde. Teilgenommen haben sollen nicht nur Vorstandsmitglieder, sondern auch Vertreter der Banken, des Landes Bremen und des Wirtschaftsprüfers. Doch noch im November wird der damalige Vorstandsvorsitzende Hennemann mit den Worten zitiert: „Die ökonomische Substanz des Unternehmens war noch nie so gut wie heute.“

Bisher wurden in den vier Ostbetrieben des Vulkan 919 Millionen Mark investiert. Wo die jetzt fehlenden 626 Millionen herkommen sollen, wußte Hornef gestern nicht zu sagen. Sein einziger Rat: Jetzt seien „individuelle Konzepte“ gefragt.

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