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American Way

■ Beim ersten privaten Kinderkanal Nickelodeon ist die Eigenwerbung bislang spannender als das richtige Programm

Vielen Eltern werden Teile des Nickelodeon-Programms bekannt vorkommen: aus den eigenen Kindertagen nämlich. „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ zum Beispiel oder „Grisu, der kleine Drache“ stammen aus den siebziger Jahren. Andere Serien wie „David der Klabauter“, „Wuff“ oder „Hallo Spencer“ sind zwar jünger, aber auch schon zu sehen gewesen. Und mit solcher Ware will sich Nickelodeon, der einzige echte Fernsehsender nur für Kinder, profilieren?

Erstausstrahlungen sind wenigstens Serien wie „Clarissa“ oder „Pete & Pete“, Produktionen vom Mutterschiff Nickelodeon USA (einer Tochter der Viacom- Gruppe). Gerade im Fall einer Sitcom wie „Clarissa“ aber, in der unentwegt geredet wird, macht sich die mangelhafte Synchronisierung deutlich bemerkbar. Trotzdem ist der unübersehbar amerikanische Touch offenbar das, worauf die „Kids“ hierzulande gewartet haben, wie eine Zuschauerbefragung ergeben hat. Die Drei- bis Dreizehnjährigen schätzen an Nickelodeon vor allem seine Unverwechselbarkeit sowie die eindeutige Ausrichtung: eben kein Familien-, sondern ein Kinderprogramm.

Statt Werbespots Eigenreklame

Gerade das macht Nickelodeon natürlich auch für die Wirtschaft interessant: Als „zielgruppenreiner Sender“ hat man wenig ältere Zuschauer, also kaum das, was die Werbewirtschaft „Streuverluste“ nennt. Damit das auch so bleibt, ersetzt Nickelodeon die noch fehlenden Werbespots durch Reklame in eigener Sache; kaum eine Serie, die nicht für die scheinbar endlose Folge von Spielereien mit dem Senderlogo unterbrochen wird (zumindest in der Anmutung ähnelt Nickelodeon darin MTV, auch ein Sproß der Firma Viacom). Diese kunterbunten Logo-Variationen sind so originell, daß sich das eigentliche Programm dagegen beschämend einfallslos ausnimmt.

Richtig sehenswert sind bei Nickelodeon eigentlich nur drei Zeichentrickserien des amerikanischen Muttersenders: „Rugrats“, „Rockos modernes Leben“ (beide zum Teil mehrfach mit einem „Emmy“ ausgezeichnet) oder „AAAHH!!! Monster“ stellen originelle, zeichnerisch ungewöhnliche Bereicherungen für das Kinderfernsehen dar. Vor allem die Monsterserie verblüfft mit einem Sammelsurium häßlicher Gestalten, deren Lebensinhalt darin besteht, Leute zu erschrecken. „Rugrats“ erzählt von einer Babybande, und „Rockos modernes Leben“ – Titelheld ist ein Känguruh – ist eine amüsante Persiflage auf den „American way of life“.

Natürlich hat die mindere Programmqualität ihre Gründe. Auf dem freien Markt steht Besseres einfach nicht zur Verfügung. Erstausstrahlungsrechte an Qualitätsproduktionen sichern sich die Sender heutzutage meist schon im Vorfeld, am besten in Form von Koproduktionen oder wenigstens einer Kofinanzierung. Nickelodeon konnte also nur bereits gesendete Ware erwerben, und auch unter dieser, so kann man mutmaßen, wohl eher nur das Zweitbeste, weil das Beste recht teuer ist: Lizenzen kosten rund 50.000 bis 60.000 Mark pro Episode.

Im Unterschied zu den Mitbewerbern, die – sieht man vom Disney-gefütterten Familiensender Super RTL ab – nur eine vergleichsweise geringe Programmfläche zu füllen haben, brauchte Nickelodeon darüber hinaus Material für 14 Stunden täglich.

Da zudem die Kabelnetze überfüllt und sämtliche attraktiven Satellitentransponder (jene auf den Astra-Trabanten) vergeben waren, sendete Nickelodeon monatelang praktisch nur in Nordrhein- Westfalen; entsprechend zurückhaltend verhielt sich die werbende Industrie.

Der Kabelkanal wird mit arte geteilt

Seit einigen Wochen aber ist alles anders: Die Landesmedienanstalten einigten sich auf den „arte- Kompromiß“. In Bayern, Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen und Rheinland-Pfalz wird Nickelodeon von 6 bis 17 Uhr vor dem Programm von arte ausgestrahlt; die anderen Bundesländer sollen folgen. Außerdem erhielt Nickelodeon einen Transponder auf Astra 1D. Damit ist der Kinderkanal auf einen Schlag in rund 15 Millionen deutschen Haushalten zu empfangen. Davon können andere junge Sender nur träumen.

Für Nickelodeon-Geschäftsführer Andreas Hess hat sich damit der Anspruch auf einen Vollprogrammplatz aber noch keineswegs erledigt, zumal ein Kindersender von der 17 Uhr-Grenze hart getroffen ist: Um diese Uhrzeit fangen die Kinder das Fernsehen überhaupt erst richtig an, zumindest an Werktagen.

Trotzdem: „Wir fühlen uns geehrt“, kommentiert Hess den arte- Kompromiß und behauptet wagemutig: „Die Ansprüche von Nickelodeon sind mit der Wertigkeit des arte-Programms kompatibel.“ Bis dahin aber ist es eher noch ein weiter Weg. Bislang jedenfalls bietet die „Vielfalt einer Spielzeugkiste“ (Hess) noch ziemlich viel Einfalt. Tillmann P. Gangloff

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