Protest gegen Straße durchs Hollerland

■ Bausenator Schulte für Autos im Naturschutzgebiet / Ziel: Neubau der Linie 4 verhindern

Heftigen Protest hat der Antrag von Bausenator Schulte an den Senat ausgelöst, mitten durch das Naturschutzgebiet Hollerland eine neue Straße zu bauen. Über eine entsprechende Vorlage soll der Senat am kommenden Dienstag entscheiden. Von einem „Schildbürgerstreich erster Ordnung“ sprach der SPD-Landesvorsitzende Detlev Albers gestern. Und der grüne Fraktionsvorsitzende Dieter Mützelburg bezeichnete den Bausenator gar als „durchgeknallt“, und der AfB-Fraktionschef Andreas Lojewski äußerte „Entsetzen“.

Vor zwei Wochen hatte die CDU im Koalitionsausschuß der „Kröte Linie 4“ zugestimmt. Offen war allerdings die genau Trassenführung im zweiten Bauabschnitt zwischen Horner Kreisel und Borgfeld geblieben. Es müssen „Alternativen gefunden werden, die zu keiner einspurigen Straße am Langen Jammer führen“, hieß es dazu lediglich allgemein. Noch können AutofahrerInnen auf zwei Spuren je Fahrtrichtung rasen. Mit der Straßenbahn muß die Fahrbahn auf zwei Spuren zurückgebaut werden.

„Wir haben uns bei der Vorlage nichts Präzises gedacht“, sagte gestern der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Weber über den vagen Beschluß des Koalitionsausschusses, dem er selber zugestimmt hatte. „Es soll eine Direktanbindung vom Autobahnzubringer Horn-Lehe an einen Anknüpfungspunkt an die Umgehungsstraße Lilienthal geben“, erläuterte gestern Hartmut Spiesecke, Sprecher des Bausenators, Schultes neuen Plan. „Die Trasse führt dann durch das Naturschutzgebiet“, gibt er zu.

Das jedoch ist eigentlich verboten. „Natürlich muß eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden“, sagte Spiesecke. Die würde mindestens 15 Monate dauern, um alle Vegetationsperioden abzudecken.

Die Steuergelder dafür kann Schulte sich sparen. Bereits 1978 hatte der Bremer Senat nämlich zwei Studien erarbeiten lassen. Beide Gutachter kamen unabhängig voneinander zum selben Ergebnis: „Aus ökologischen Gründen ist es unerläßlich, daß der Zubringer nicht verlängert wird.“

Eine der Pilotstudien hatte damals Manfred Osthaus erstellt, der als Bau-Staatsrat 1989 den Hollerland-Kompromiß-Vertrag mit dem Umweltschützer Gerold Janssen schloß. „Der neue Plan ist eine Unverschämtheit“, sagte Janssen gestern. Er kann kaum glauben, daß Schulte nach 20 Jahren erneut mit dem Straßenplan kommt.

In den siebziger Jahren wollte der Senat schon einmal den Autobahnzubringer verlängern. Damals glaubten die GenossInnen noch, daß Bremen zur Millionen-Metropole wachsen könnte. 50.000 Wohnungen wollte die Neue Heimat und spätere Gewoba auf die Wiesen im Hollerland stellen, die neue Straße sollte die Menschen mit der Stadt verbinden.

Auf mehr Menschen in Bremens Mauern hofft nun auch wieder Bausenator Schulte. „In den nächsten 30 muß Bremen sich weiterentwickeln“, sagt sein Sprecher Spiesecke. Die Stadt müsse daher schon jetzt für „Siedlungsachsen“ sorgen, auf denen die BewohnerInnen der Vororte in die City rutschen. Die geplante Straßenbahn-Linie 4 reiche dafür nicht aus.

Ob das Bauressort allerdings tatsächlich die neue Straße will, ist zweifelhaft. Womöglich geht es Schulte auch nur darum, mit dem Plan aus der Mottenkiste den Bau der von ihm stets abgelehnten neuen Straßenbahnlinie doch noch zu verhindern. Denn bis die neue Planung fertig wäre, würden auf jeden Fall Jahre vergehen. Und das Ergebnis würde wohl ziemlich sicher gegen die Straße sprechen. Im Etat für die Straßenbahnlinie 4 ist zudem keine Mark für eine weitere Straße vorgesehen. Die würde aber „einen zweistelligen Millionenbetrag“ (Bauressort) verschlingen. Und sie als Bundesstraße auszugeben – wie die Umgehungsstraße in Lilienthal – ist kaum möglich. Nur so könnte der Bundesverkehrsminister sie allerdings womöglich mit Erfolg gegen das bestehende Naturschutzgebiet durchsetzen. ufo