: Das Drogenzeugnis von den Konsumenten
Jedes Jahr verteilen die USA Noten an die Regierungen der drogenproduzierenden Länder, ob sie auch brav bei der Drogenbekämpfung kooperiert haben. Heute ist es wieder soweit. Schlechte Noten – kein Geld ■ Von Ralf Leonhard
Heute ist sie fällig, die „Certification“. Das ist ein Zeugnis, mit dem die USA alljährlich den Regierungen der drogenproduzierenden Länder bescheinigen, bei der Drogenbekämpfung wohlgefällig mit der US-Drogenbehörde DEA (Drug Enforcement Agency) zusammengearbeitet zu haben. Die Certification ist wichtig: Ein gutes Zeugnis ist nicht nur Voraussetzung für die Fortsetzung der Wirtschaftshilfe und weitere Unterstützung im Kampf gegen die Drogen. Wer das Zeugnis nicht erhält, bekommt auch Schwierigkeiten mit multilateralen Kreditgebern wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Selbst die private Exportwirtschaft des gemaßregelten Landes wird durch den Wegfall von Zollprivilegien in Mitleidenschaft gezogen.
Der Drogenbericht der Vereinten Nationen, der in dieser Woche veröffentlicht worden war, sieht ungenügende Mechanismen gegen die Geldwäsche in den Konsumentenländern als eine der Hauptursachen für die ungebremste Ausbreitung der Drogen. In dem Bericht werden vor allem die Schweiz und Luxemburg kritisiert, die durch eine noch immer strenge Auslegung des Bankgeheimnisses die Geldwäsche erleichtern würden. Dabei seien, so der UN-Drogenbericht weiter, die Finanzoperationen der Drogenwirtschaft heute zur Achillesferse des gesamten Geschäftes geworden.
Die USA setzen mit ihrer Certification weiterhin auf die produzierenden Länder, auf die Zerstörung von Anbauflächen etwa. Afghanistan, Birma, Iran und Syrien fallen bei der Zeugnisvergabe regelmäßig durch, während die Türkei und Marokko ungeprüft approbiert werden. Kolumbien und Bolivien stehen meistens auf der Kippe. Peru, traditionell einer der größten Kokaproduzenten, steht nicht unter Druck, weil mangels internationaler Nachfrage der Großteil der Produktion im Lande bleibt. Die kolumbianische Regierung bekam letztes Jahr das begehrte Zertifikat nur „aus Gründen der nationalen Sicherheit“ ausgestellt, eine Art „ungenügend mit Bewährung“.
Bolivien, für dessen fragile Ökonomie die Verweigerung der Zertifikation noch viel fatalere Folgen hätte, geht einen anderen Weg: den der freiwilligen Vernichtung der Pflanzungen mit pekuniärer Kompensation. Auf den ersten Blick ein humanerer Weg zu einer nachhaltigen Lösung. Bei näherem Hinsehen jedoch auch nur ein Mittel, um Zeit zu gewinnen.
Politisch das heißeste Eisen in Lateinamerika ist freilich Mexiko. Die Politmorde der letzten Jahre werden inzwischen allgemein den Verbindungen führender Politiker zum Drogenhandel zugeschrieben – gleichzeitig aber ist das Land als Mitglied des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) auch für die US-Ökonomie bedeutsam. Zudem Mexiko nach der Krise des Pesos Ende 1994 mit etlichen Millionen Dollar Finanzhilfe aus den USA vor dem Bankrott bewahrt wurde. Schon eine Rüge aus dem Norden gilt hier als Skandal.
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