: Siegertyp rechter Mittelklasse
Der Kredit der Regierung Felipe González ist verspielt: Die Wahlen am Sonntag in Spanien dürfte der konservative José Maria Aznar gewinnen. ■ Aus Madrid Reiner Wandler
Präsident, Präsident“ – Sprechchöre und ein Meer von weißen Wimpelchen der Partido Popular (PP). Ob Bilbao, Málaga, Barcelona oder Madrid, die Bilder gleichen sich. Gefolgt von Ehegattin und Parteifreunden betritt José Maria Aznar die Halle, die Finger zum Siegeszeichen gespreizt.
Wenn es nach den Meinungsumfragen geht, hat er die Wahlen vom kommenden Sonntag schon gewonnen: Je nach Institut liegt seine konservative Partido Popular zwischen neun und elf Punkten vor der sozialistischen PSOE von Regierungschef Felipe González. Die absolute Mehrheit im Parlament liegt in Reichweite.
Wo immer Aznar auftaucht, ist das Gedränge unerträglich. Jeder möchte den Mann begrüßen, der am Sonntag den Sozialisten Felipe González nach 14 Jahren auf die Oppositionsbank verweisen wird. „Spanien von der Korruption reinigen“, verspricht Aznar. Die Botschaft wird nur zu gut verstanden. 14 Jahre Regierung González sind 14 Jahre der offenen Hände. Bis hinunter auf die Gemeindeebene haben sich alle bereichert, die dazu die Möglichkeit hatten. Vor drei Jahren versprach González, den eigenen Stall auszumisten – die Wähler schenkten der PSOE noch einmal ihr Vertrauen. Die Skandale gingen weiter.
Eine groß angelegte Kampagne Aznars soll auch den letzten Wählern die Angst vor der Rechten nehmen. Aznar möchte weg vom Stallgeruch der Apparatschiks der Franco-Diktatur, die einst die PP aus der Taufe hoben, hin zum Image eines modernen und moderaten Regierungspräsidenten aller Spanier. Aznar im Dialog mit Gewerkschaftlern, Aznar empfängt die bisher eher links beheimatete, Künstlerszene, Aznar mit dem bekanntesten antifrankistischen Poeten und Kommunisten, dem 93jährigen Rafael Alberti – alles Fotos, die aber auch jedem klarmachen sollen, daß Aznar es mit der „Öffnung zur Mitte“ ernst meint.
Seit 1982 Parlamentarier der PP-Vorgängerpartei Alianza Popular, von 1987 bis 1989 Chef der Landesregierung von Castilla León, wurde José Maria Aznar 1989 überraschend an die Spitze der durch innere Flügelkämpfe zerrissenen Partei gewählt. „Es gab nur einen Weg aus der Krise“, erinnert sich PP-Vizegeneralsekretär und Aznar-Intimus Mariano Rajoy, „die PP sollte vergleichbar mit der deutschen Christdemokratie oder dem französischen Bündnis aus RPR und UDF werden“. Der Umschwung gelang. Christdemokraten, junge Liberale, regionale konservative Parteien und Reste der zerfallenen Zentrumspartei UCD fanden in der PP ihre neue Heimat. Auch das Programm wurde mit den Jahren moderater. Scheidung und Indikationsregelung bei Abtreibungen gehören heute ebenso dazu wie ein klares Ja zur europäischen Integration.
„Mit neuer Mehrheit“ – so der Wahlslogan – will Aznar „zurück zu den fundamentalen Werten, die Spanien braucht“. Ein Blick auf Aznars Leben zeigt, was er damit meint. „Redlichkeit und Verantwortungsbewußtsein“ seien die wichtigsten Tugenden, so der Vater dreier Kinder. Selbst auf Auslandsreisen läßt er den allsonntäglichen Kirchgang nicht ausfallen. „Mit Arbeitsmoral und Optimismus zum Ziel“, so lautet das Erfolgsrezept des Sohnes einer Mittelklassefamilie aus Madrid.
Aznar, den seine ehemaligen Klassenkameraden als „mittelmäßigen Schüler“ erinnern, brachte es vom Finanzbeamten zum Spitzenpolitiker. Daß es ihm in seiner „übertriebenen Normalität an Charisma fehlt“, wie ihm seine Kritiker immer wieder bescheinigen, stört ihn nicht. „So werde ich eben ein ganz normaler Regierungschef – und die normalsten Länder sind die stärksten“, entgegnet er.
Skepsis ob des Erfolges der PP macht sich vor allem bei den Nationalisten der im Baskenland regierenden PNV und ihren katalanischen Kollegen der CiU breit. Zentralstaatlich orientiert, will das PP-Programm die Autonomiestatute nicht weiter ausbauen. Vor allem im Bildungsbereich wollen die Konservativen auf die Nation setzen: Die spanische Sprache, „höchstes kulturelles Gut unseres Landes“, soll gestärkt werden. Falls es am Sonntag nicht zur absoluten Mehrheit reicht, wird Aznar hier umdenken müssen. Denn dann ist auch er, wie zuvor Felipe González, auf die Unterstützung der Katalanen und Basken angewiesen. Und die gibt es nicht kostenlos.
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