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„Kunst muß jede Zeit überstehen“

■ Irene Nalepa stellt europäische Moderne mit „Tribal Art“ aus

taz: In Ihrer Galerie hängen Text- und Bildcollagen des „Africa“-Kurators Tom Phillips neben Statuen aus dem Kongo. Wie geht das zusammen?

Irene Nalepa: Ich habe 1992 mit einer Ausstellung über „Tribal Art“ und „Avantgarde“ angefangen, Arbeiten aus verschiedenen Kulturkreisen gleichberechtigt nebeneinander zu zeigen. Mir geht es um den Dialog, der sich zwischen europäischer Moderne und traditioneller Stammeskunst ergibt.

Bei zeitgenössischer afrikanischer Kunst steht die Auseinandersetzung mit der Kolonisationsgeschichte im Zentrum. Warum der Rückgriff?

So wie sich die Gesellschaften verändert haben, gelten auch in der Kunst verschiedene Kriterien. Mir ist bei der Auswahl der Objekte wichtig, daß sie als Gebrauchsgegenstände an Rituale gebunden sind und nicht als „Airport-Art“ für den schnellen Markt hergestellt wurden. An neueren Trends ist klar abzusehen, wie sich Afrika entwickelt. Es ist europäisiert und im Begriff der Auflösung. Dieser Zerfall spiegelt sich wiederum in der Kunst: Oftmals wird ein Ausverkauf der eigenen Kultur betrieben, so daß bei aller Modernität bloß Hüllen dessen übrigbleiben, was vorher mit Spiritualität erfüllt war. Die Dinge sind nicht mehr lebendig, sondern platt.

Dann halten Sie Mischformen für unproduktiv?

Das ist nicht der Punkt. Aber wenn man über Jahre eine Galerie führt, werden auch die Kriterien sehr viel deutlicher und strenger. Viele Arbeiten erscheinen nur mehr wie Makulatur. Da hat sich jemand ausgetobt und um Ausdruck bemüht – aber was ist daran aussagekräftig genug, um in der Zeit zu bestehen?

Das klingt wie die Sehnsucht nach einem Arkadien, das man heute nur nicht mehr in Griechenland oder Italien sucht, sondern in Afrika.

Zumindest finden sich hier Arbeiten, die nicht aus ihrem Kontext gelöst sind. Man erfährt etwas über die Balance zwischen Natur und Kultur. Philosophie, Religion und Kunst gehören dort zusammen. Das macht einen Großteil der Faszination dieser Stammesobjekte aus. Die Art, wie sie in Völkerkundemuseen präsentiert werden, hebt nur ihre ethnographische Bedeutung hervor.

Sind Privatsammler und Galerien dann der künstlerische Gegenpol zur ethnographischen Aufklärungsarbeit, wie sie die Museumspädagogik betreibt?

Erst im Bereich der Kunst kann man den ästhetischen Reiz des einzelnen Objektes erkennen. Das hat nichts mit unserem Schönheitsbegriff zu tun, es geht um die tieferliegenden Schichten. Wir haben erst jetzt eine Situation, wo man sich der afrikanischen Kunst ästhetisch annähert. Dadurch werden auch Fragen nach dem Qualitätsunterschied wichtig, die sich unter anderen Gesichtspunkten gar nicht gestellt haben. Die Feuerstätten und Hütten im Museum sind eher für Kinder gemacht. Eine Galerie versucht nicht, den Zivilisationsprozeß zu illustrieren, sie zeigt die Sache selbst – indem sie dessen Artefakte aus dem Zusammenhang löst. Schließlich waren es vor allem Künstler wie Picasso, Schmidt-Rottluff oder später Arman und Baselitz, die afrikanische Schätze nicht als Alltagsgegenstände wahrgenommen haben. Das hat, ob nun harmonisch, im Dialog oder als Provokation, sehr viel bewegt. Dahinter sollte man nicht zurückfallen.

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