: Mieses Theater um Schilleroper
■ Weiter Wohnungsgeschäfte mit der Armut statt Stadtteilkultur / Baudezernent verzichtet auf Abstimmung mit Sanierungsträger Von Heike Haarhoff
Es müffelt nicht nur, es riecht: nach Mauschelei mit Investoren, erbärmlicher Unterbringung von Aus- und Übersiedlern zu Wucherpreisen, mangelnder Absprache mit Sanierungsträgern, dafür aber ganz vielen neuen Wohnungen für ein weiteres Ghetto sozialer Armut ohne Infrastruktur-Konzept. Ort der unschönen Handlung ist Bezirk Mitte, genauer gesagt die Schilleroper im gleichnamigen Sanierungsgebiet.
Dort, an der Bernstorffstraße, feierte das sozialdemokratische Duo Thomas Mirow, Stadtentwicklungssenator, und Rolf Miller, Bezirksamtsleiter Mitte, am vergangenen Mittwoch mit der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter als Bauträgerin Richtfest von 102 Sozialwohnungen und einer Kindertagesstätte mit 40 Plätzen. „Ziel ist es, die gewachsenen Strukturen mit ihrem Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und Freizeit zu stärken“, bewies Mirow stadtentwicklungspolitisches Grundwissen.
Leider existiert die Wunschvorstellung der sozialverträglichen Ausgewogenheit nur in den Köpfen, dort aber seit 16 Jahren: Anstatt endlich, wie vorgesehen, dringend nötige soziale Treffpunkte, Betreuungseinrichtungen und kleinteilige kommerzielle Nutzung für die AnwohnerInnen an und in der Schilleroper zu schaffen – 1980 wurde das Gelände zwischen Bernstorffstraße und Pferdemarkt Sanierungsgebiet –, verlängerte die Sozialbehörde Anfang des Jahres erneut die dortigen, ausgelaufenen Mietverträge zur Unterbringung von 60 bis 70 Aus- und Übersiedlern in den heruntergekommenen Pavillons. Der Eigentümer, die Hamburger Grundstücksverwaltung Krützfeldt und Langbehn, darf nun weitere zwei Jahre an dem Gewerbe mit der Wohnungsbedürftigkeit verdienen.
Baudezernent Peter Gero als Verhandlungsführer stimmte dem fragwürdigen Deal eigenmächtig zu. Ohne Abstimmung mit dem Bezirk oder der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) als Sanierungsträgerin. „Uns ist kein aktueller Sachstand bekannt“, bedauert Steg-Sprecher Rüdiger Dohrendorf, „offiziell nicht über die Nutzungsverhandlungen informiert“ worden zu sein. In Unkenntnis ließ Gero offenbar auch die eigene Verwaltung: „Der städtebauliche Mißstand muß sich dringend ändern“, mehr weiß Stadtplanungs-Chef Peter Illies zur Schilleroper nicht zu berichten.
Geros Kritiker machen nicht gegen die Unterbringung der Aus- und Übersiedler mobil, sondern gegen die saftigen Mieten und den menschenunwürdigen Zustand ihrer Behausungen, die nicht gerade zur Entschärfung der sozialen Konflikte im Stadtteil beitragen. „Ich weiß, daß das kein Dauerzustand sein darf“, räumt Gero ein. Doch solange die Nutzungskonzepte für die sozialen Einrichtungen fehlten, befürworte er die Vermietung. Im übrigen habe der Eigentümer die Räume „neu hergerichtet“.
Dessen Interesse an einem wirklich sozialen Infrastrukturkonzept steht hingegen zu bezweifeln: Angesichts leerer Kassen ist die Stadt komplett auf die Finanzierung der Stadtteileinrichtungen durch private Investoren angewiesen. Solange das Geschäft mit den horrenden Mieten läuft, sind ihre Druckmittel begrenzt. Deswegen fürchten viele, daß ein hochkarätiger Kulturtempel mit Varieté und schicken Gala-Abenden für zahlungskräftige, auswärtige Gäste in der Schilleroper entstehen wird. Diese Absicht hatte der Eigentümer schon im vergangenen Sommer unmißverständlich geäußert.
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