: Der Sieger schwört auf den König
■ Tausende waren gekommen, um Aznars Wahlsieg zu feiern. Der distanziert sich von Franco und setzt auf spanischen Nationalstolz
In den mondänen Vierteln Madrids stand Familienausflug auf dem Programm – vor das Gebäude der konservativen Volkspartei Partido Popular. Die meisten Mütter und Großmütter trotzten im Pelzmantel der Kälte, Väter und Großväter bevorzugten grünen Loden. Die Söhne mit ordentlichem Kurzhaarschnitt, gestreiftem Flanellhemd, polierten Schuhen, die meisten Töchter blond getönt, mit weißer Bluse und nicht allzu engen Jeans, darüber die Wachstuchjacke, wie sie noch vor kurzem nur die Pizzaausträger auf ihrer Fahrt durch den höllischen Verkehr der spanischen Hauptstadt trugen. Doch seit „Er“ sie trägt, ist sie in. Ebenso wie die Nationalfarben Rot und Gelb – ob als Hosenträger, Stehbündchen des Polo- Shirts oder Stirnband, man trägt Spanien.
Überall gibt es Fahnen zu kaufen, je nach Geschmack mit dem Landeswappen der Verfassung von 1978 oder auch mit Adler, wie einst unter Franco. Doch auch brandaktuelle Souvenirs sind im Angebot: Aschenbecher, Kartenspiele, Schlüsselanhänger und galizischer Rotwein mit dem Gesicht des Mannes, um den es jetzt geht – José Maria Aznar, Spitzenkandidat der PP. Tausende von Anhängern waren in der Nacht zu gestern auf der Straße, um den 43jährigen Wahlsieger zu feiern.
„Felipe pack die Möbel“, sangen die Menschen vor dem Parteigebäude der PP und „Aznar – Präsident“. Aus der Lautsprecheranlage dröhnte die Parteihymne im Technobeat – ein Zugeständnis an die vielen Jugendlichen unter den Anhängern, viele von ihnen Erstwähler. „Die Hoffnung auf einen Wechsel“, habe ihre Wahl bewogen, antworten viele. „Mehr ethische Werte, weniger Korruption, mehr Arbeitsplätze.“
Als der Star der Nacht in Begleitung von Ehefrau Ana Botella und seinen engsten Vertrauten auf dem Balkon der Parteizentrale auftauchte, brach Jubel aus. Sieben Jahre hat der PP-Chef auf diesen Augenblick hingearbeitet. Die „Öffnung zur Mitte hin“, heißt das Erfolgsrezept Aznars und seiner jungen Mannschaft, weg von den Gründervätern der Partei aus dem Apparat der Franco-Diktatur. Im Wahlkampf hat Aznar sich alle Mühe gegeben, der PP das Image einer moderaten und modernen Partei zu verpassen. Dazu gehörte der Dialog mit Gewerkschaften ebenso wie Kontakte zu Künstlern, Antifrankisten und Kommunisten.
„Die PP, eine große Partei des Zentrums“ will das Land in die Zukunft führen, setzte Aznar in der Wahlnacht an. „Eine neue Etappe beginnt.“ Nationales schreibt er groß: „Die Zukunft Spaniens ... die Möglichkeiten Spaniens ... der Glaube an Spanien ... die gemeinsame Anstrengung aller Spanier.“ Zum Gruß hebt Aznar den linken Arm – der rechte würde zu stark an die Pose von Franco erinnern. Für die, die noch immer nicht an den Gesinnungswechsel der Partei glauben, beschwört er „die tiefsten Werte der Verfassung“. Und: „Viva el Rey! Viva España! – Hoch lebe der König! Hoch lebe Spanien!“ Eine Parole, die seit zwanzig Jahren kein hochrangiger Politiker mehr in den Mund genommen hat.
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