■ Querspalte: Frau Bohley mit Kanzler
Also, um es gleich zu sagen: Auch ich bin empört. Das neue Titelbild des Eulenspiegel – liebe westdeutsche Leser, damit Ihr nicht gleich wieder aussteigt: Eulenspiegel = ostdeutsche Satirezeitschrift – ist ein in seiner Obszönität nicht zu übertreffender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte einer edlen Kämpferin für Freiheit und Demokratie, ein Schlag ins Gesicht aller Ostdeutschen. Dafür sind wir im Herbst 1989 nicht zu Hause geblieben.
Bärbel Bohley wird mit einem älteren Herrn mittels Fotomontage in einer scheinbar harmlosen Stellung gezeigt, die Millionen lieber Vatis und Muttis samstagnachmittags bei Kaffee und Kuchen einnehmen: er unten, sie oben, an der entscheidenden Stelle eine Kaffeekanne im Weg. Das Perfide an der Darstellung ist aber, daß suggeriert wird, die Freiheitskämpferin führe mit dem Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Helmut Kohl, gerade den Geschlechtsverkehr aus. Jeder weiß, daß sie den noch nie ausgeführt haben! Frau Bohley trifft sich mit Herrn Kohl, um sich mit ihm um Menschen zu kümmern, die in der DDR keine Chance hatten und auch heute wieder von alten Seilschaften behindert werden (Bündnis für Arbeit). Außerdem hat Bärbel Bohley über ihre privaten Vorlieben bereits Rechenschaft abgelegt. „Wenn ich schwärme, dann für Humphrey Bogart“, vertraute sie dem Spiegel an. In welchem konkreten Verhältnis sie zu diesem Herrn Bogart steht und welche Rolle er beim Kampf gegen das DDR-Unrechtsregime gespielt hat, ließ sie offen.
Die aufrechte Bürgerrechtlerin fordert vom Eulenspiegel 100.000 Mark Schadensersatz. Unverständlich. Davon kann sie sich ebenso wenig kaufen wie von den solidarischen Grüßen aus Bonn, die ihr einige Frauen der Bundestagsfraktion der Grünen Montag abend in ihrer Wohnung überbracht haben. Warum so zurückhaltend? Warum nicht 10 Millionen Schadensersatz? Warum tagt in Bonn kein Menschenrechtsausschuß? Wann fliegt die Nato einen Kampfeinsatz gegen die Kriegsverbrecher vom Eulenspiegel? Wo ist Richter Goldstone? Jens König
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