: Bei der PDS kommt die Kontroverse
■ Die bündnisgrüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller zu Besuch bei den BürgerrechtlerInnen in Berlin
Berlin (taz) – Sebastian Pflugbeil, Bürgerrechtler und einer der Aktivisten der früheren Umweltbewegung der DDR, kommt schnell auf seinen Punkt. Bei der Wertung der DDR-Geschichte oder der der Staatssicherheit, da seien ihm schon „einige aus der CDU näher als die Achtundsechziger“. Erhart Neubert, Mitbegründer des Demokratischen Aufbruch und heute Referent an der Studien- und Begegnungsstätte der evangelischen Kirchen in Berlin, schiebt hinterher: „Die Brücke zwischen uns und den Grünen ist die Aufarbeitung der ersten deutschen Diktatur.“
Montag abend in Berlin, in der Wohnung der Malerin Bärbel Bohley in Prenzlauer Berg. Zu Besuch sind Kerstin Müller, Bonner Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen, und die Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld. Beiden liegt das fragile Verhältnis ihrer Partei zu den BürgerrechtlerInnen aus der DDR am Herzen. „Schade wäre“, sagt Kerstin Müller, „wenn es immer weiter auseinandergehen würde.“
Daß der Nationalsozialismus in der alten Bundesrepublik ebenso wie in der DDR nur mangelhaft bewältigt wurde – das ist Konsens am langen Tisch. „Jetzt sehen wir“, sagt Neubert aber weiter, „daß die Aufarbeitung wieder schiefläuft.“ Er meint die DDR, die „zweite deutsche Diktatur“, und daß die Generation der 68er heute häufig mit den früheren Argumenten der Rechten fuhrwerkten. Daß Linke beispielsweise mit Blick auf den dahingegangenen ersten Arbeiter- und-Bauern-Staat auf Begriffe wie „Siegerjustiz“ oder „Befehlsnotstand“ zurückgreifen würden.
Mißtrauen über Bohleys Tête-à-tête mit Kohl
Das Verhältnis zwischen den Bürgerrechtlern und den Bündnisgrünen ist ohnehin kompliziert. Zur Skepsis unter den Grünen hat aber besonders das Tête-à-tête mit dem Bundeskanzler, Kohls überraschender Besuch bei Bärbel Bohley unmittelbar vor der letzten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, beigetragen. Seither steht der Vorwurf im Raum, die Bürgerrechtler ließen sich von den Konservativen zum Aufpolieren des CDU-Images instrumentalisieren. Bohley hält dagegen: „Wir waren immer offen“, es habe doch auch ein Treffen mit Rudolf Scharping, damals noch SPD-Vorsitzender, gegeben. Der Schriftsteller Jürgen Fuchs kann den Vorwurf ebensowenig verstehen: „Wir haben doch heftig gegen den Kasernenbesuch von Kohl in China protestiert.“
Mit dem Thema PDS kommt die tiefsitzende Kontroverse. Filmemacher Konrad Weiß warnt vor der „Fehleinschätzung“, es handle sich bei ihr um eine linke Kraft. Schwer zu ertragen sei, daß unter den Grünen über eine Koalition mit der PDS „aggressiv nachgedacht wird“. Jürgen Fuchs beklagt, daß Gysis Partei auch heute noch jede eindeutige Stellungnahme zur DDR und zu den von Kommunisten begangenen Verbrechen schuldig bleibe. Zwar hält auch Kerstin Müller nichts von der „Radikalrhetorik“ der PDS. Sie warnt aber vor einer allgemeinen Stigmatisierung. Über die PDS-Vorsitzende Petra Sitte in Sachsen-Anhalt sagt sie: „Wenn ich mit der über Reformpolitik rede, dann bin ich mit der ganz schnell auf einer Ebene.“ – „Alibi“, entgegnet Bärbel Bohley. Petra Sitte sei eine der „drei Gehirnzellen der PDS, aber der ganze Körper fault“.
Knapp zwei Stunden dauert das Treffen. Am Ende hat Jürgen Fuchs eine harmonisierende Erklärung für das schwierige Verhältnis: Aus der Nähe zu den Grünen komme die Kontroverse. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen