: Absehbare Niederlage
■ Die Grünen scheitern an ihren Fehleinschätzungen
Die nordrhein-westfälischen Grünen befinden sich in einer Position, in der jeder Schachspieler seinen Gegner gerne sieht. Egal welchen Zug sie jetzt noch machen, er wird sie auf jeden Fall Opfer kosten. Stimmen sie dem Haushalt des Wirtschaftsministers Clement zu, droht ihnen der Groll vieler Mitglieder, die hehre Grundsätze der Verkehrspolitik verraten, und die Schmähung der Flughafenanwohner, die ihre Interessen verkauft sehen. Lehnen sie den Haushalt ab, so beenden sie mit der Koalition das „Modell für Bonn“, bevor es sich als solches erweisen konnte. Was 1996 in Nordrhein-Westfalen nicht funktioniert, dem ist 1998 im Bund kein Erfolg beschieden. Da hilft kein Gerede von vermeintlich unterschiedlichen Voraussetzungen. Denn die Voraussetzungen sind nur insofern zu unterscheiden, als die Problemkomplexe, die in Düsseldorf zur Krise führten, in Bonn potenziert auftauchen würden. Was ist der Ausbau des Dortmunder Flughafens gegen die Einführung der Ökosteuer.
Rot-Grün ist nicht gleichermaßen das Reformprojekt beider Parteien. Für die SPD ist es eine Option unter mehreren, von der sie in dem Maße Abstand nimmt, in dem sie sich der Mehrheitsfähigkeit ihrer eigenen Programmatik unsicher wird, während die Grünen nur eine Option haben und diese folgerichtig krisentauglich machen müssen. Das sind die Ausgangsbedingungen des „Modells für Bonn“.
Ein Scheitern rot-grüner Koalitionen hat den Sozialdemokraten bislang mehr geschadet als den Grünen. Aus diesem Erfahrungssatz speist sich die Hoffnung der Grünen, der Koalitionspartner würde einknicken, damit sich ein Wahldebakel nicht wiederhole.
Kommt es zum Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie, so liegt das Primat der Wählergunst bei letzterer. Aus dieser Prognose speiste sich hingegen die Kompromißlosigkeit, mit der die SPD ihre Position beibehält.
Die Grünen, von der Gegenthese nicht im gleichen Maße überzeugt, flüchten sich nur allzugern in eine vermeintliche Kongruenz der beiden Ziele. Divergieren diese, mangelt es ihnen an Entscheidungsgrundlagen und damit an Handlungskompetenz. Das ist die Schwäche ihrer Verhandlungsposition gegenüber der SPD. Ihr Scheitern war absehbar, der Fehler ist behebbar. Dieter Rulff
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