: Nett in Bus und Bahn
■ Straßenbahn AG setzt auf Gruppenarbeit: freundlicher zu FahrerInnen und Fahrgästen
Mürrisch reißt der Straßenbahnfahrer die Fahrkarte ab, wortlos kassiert er das Geld und würdigt den Fahrgast keines Blickes. Kurz zuvor ist er angepöbelt worden – von einem betrunkenem Passagier, der ihm die Laune verdorben hat. Szenen in der Straßenbahn – wie sie fast täglich vorkommen. Der Krankenstand unter den FahrerInnen der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) ist hoch, und fast jeden Tag kriegt die BSAG Post von verärgerten Kunden.
Schlechte Voraussetzungen für den Konkurrenzkampf mit privaten Verkehrsunternehmen, den die geänderten EU-Wettbewerbsverordnungen der Europäischen Union seit dem 1. Januar 1996 möglich gemacht haben. Doch auch angesichts leerer öffentlicher Kassen will die BASG umdenken: Der Service soll verbessert und die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden. Deshalb will die BSAG bei der „Schnittstelle zum Kunden“ – den rund 2.400 FahrerInnen ansetzen. „Zukunftsgestaltung im Öffentlichen Personennahverkehr durch Gruppenarbeit im Fahrdienst“, heißt das Konzept, das gestern auf einer Fachtagung mit Vertretern der Berliner Verkehrsbetriebe, der BSAG, der Gewerkschaft ÖTV sowie dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, vorgestellt wurde: 35 bis 40 FahrerInnen gründen eine Gruppe, die von einem Leiter betreut wird. Er soll Ansprechpartner bei Problemen sein und Verbesserungsvorschläge in die Chefetage tragen. Bisher war der Dienstweg bei der BSAG eher lang: Auf etwa 350 FahrerInnen kam ein Fahrdienstleiter. „Das war frustierend“, erinnert sich Antje Greutz. „Wenn man mal Probleme mit Fahrgästen hatte, wußte man nicht wohin. Ich hatte innerlich schon gekündigt.“ Vor zweieinhalb Jahren wurde dann das Gruppenprinzip als erstes auf dem Betriebshof in Gröpelingen ausprobiert. „Das ist ein ganz anderes Arbeiten“, resümiert Antje Greutz. „Wir reden viel mehr miteinander.“ An Kündigung denkt die Bus- und Straßenbahnfahrerin mittlerweile nicht mehr. Nur die Dienstpläne seien einen Reizthema. Die FahrerInnen wollen sich selbst zur Schicht einteilen – die Betriebsräte sperren sich. „Das sind originäre Mitbestimmungsrechte, die wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen“, betont Michael Hünig, stellvertretende Betriebsratsvorsitzender. „Die fürchten nur um ihre Macht“, mutmaßt hingegen Antje Creutz.
Seit Oktober setzen auch die anderen fünf Geschäftsstellen der BSAG auf Gruppenarbeit. Doch was in Bremen als Reform präsentiert wird, ist in Berlin schon fast ein alter Hut. Seit 1994 sind die FahrerInnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Gruppen organisiert. „Die Motivation hat sich erheblich gesteigert“, so Hans-Heino Dubenkropp vom Vorstand der BVG. Das zeige sich auch an den zurückgegangenen Krankmeldungen. Für Dubenkropp kein Wunder: „Die Mitarbeiter identifizieren sich mehr mit dem Betrieb.“ kes
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