: Demokratische Entscheidung
■ betr.: „Wahlweise gültig“ (Die Grünen und ihre Statuten), taz vom 23. 2. 96
Ende Januar 1996 nominierten die bündnisgrünen Mitglieder des Bezirks Schöneberg (unter ihnen auch Fraktionärinnen und Fraktionäre) Manfred Rabatsch zum Stadtratskandidaten für das Jugend- und Volksbildungsressort. Nach seiner Nominierung haben die Informationen über Konfliktfälle aus zurückliegenden Jahren zu einer kontroversen Diskussion mit M. Rabatsch geführt, vor allem darüber, ob er diese Punkte bei seiner Bewerbung hätte erwähnen müssen.
Diese Diskussion, die Art, wie sie geführt wurde, verfestigte bei vielen Fraktionärinnen und Fraktionären den Eindruck, daß die zu erwartende gemeinsame Konfliktbewältigung eines zukünftigen Stadtrats mit seiner Fraktion und der Bezirksgruppe in vertrauensvoller, sich selbst und die politische Tragweite von Entscheidungen reflektierende Weise, nicht möglich sein würde. Dieser Eindruck wirkte so gravierend, daß sich der Geschäftsführende Ausschuß mehrheitlich gezwungen sah, die Überprüfung der Nominierung von M. R. an die MVV – dieses Gremium, das ihn gewählt hatte – zurückzugeben. Das Nichthandeln auf diese Weise hätte die Probleme nicht beseitigt, sondern nur bis zur Wahl in der BVV vertagt.
Nach meiner Meinung war die Entscheidung des GA demokratisch, und die Geschäftsordnung der Grünen in Schöneberg läßt sie auch zu.
Die Grünen sind eine Partei, die bei der Auswahl bzw. Zulassung zur Wahl für bestimmte herausragende Aufgaben unkonventionelle Wege geht, dies ist eines der Markenzeichen dieser Partei. Eine langjährige Parteizugehörigkeit und Parteiarbeit ist keine Bedingung für eine aussichtsvolle Kandidatur.
Nicht selten gibt es Beispiele, daß Außenseiter, die fast niemand vorher kannte, aufgrund ihrer Fachkompetenz gewählt wurden. Dabei ist natürlich besonders wichtig, daß die Kandidaten Informationen aus ihrem Leben, die politische Brisanz haben könnten, von sich aus und vor der Nominierung erwähnen, weil sie nur so in einem Konfliktfall sicher auf die Unterstützung der Fraktion rechnen können.
Jemand, der das Gefühl für politisch Relevantes nicht erkennen kann, ist vielleicht eine gute Fachkraft, nicht unbedingt aber für die Stelle eines Stadtrates geeignet.
Bei der Mitgliederversammlung am 20. 2. 96 wurde entgegen der Behauptung der taz kontrovers, aber fair mit M. Rabatsch diskutiert. Diese Diskussion als „Auftischung von langen haltlosen Beschuldigungen“ zu bezeichnen bedeutet eine Parteilichkeit, die sich auf keinen Fall überprüfen oder in Frage stellen läßt.
M. Rabatsch hat selbst seine Kandidatur zurückgenommen, unmittelbar vor einer erneuten Abstimmung über seine Kandidatur. Er hat wohl selbst erkannt, daß eine Basis für eine Zusammenarbeit nicht mehr gegeben war. Es war seine Entscheidung, die Abstimmung nicht abzuwarten.
Der Vorwurf des Rufmordes oder die Behauptung von haltlosen Anschuldigungen gegenüber Manfred Rabatsch ist daher abwegig. Alle Versuche, im nachhinein „böse“ Beweggründe der Bezirksgruppe oder der Fraktion zu konstruieren, weise ich entschieden zurück. Jasenka Villbrandt, Mitglied der
Fraktion und des GA
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