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Kinderwunsch

■ betr.: „Pfusch am Bauch – und an der Seele“, taz vom 28. 2. 96

Ich war doch sehr überrascht über den herablassenden Ton des Artikels, mit dem über ungewollt kinderlose Frauen beziehungsweise Paare berichtet wurde. Statt Verständnis für die Situation der Frauen zu schaffen, zementiert der Artikel deren Stigmatisierung. Ihr Handeln scheint nicht nachvollziehbar, fast schon pathologisch. Ungewollte Kinderlosigkeit als vielschichtige Problematik für die Frauen bleibt unberücksichtigt: Persönliche Konflikte und sozialer Druck werden ebenso ausgeblendet wie der Sog der Reproduktionsmedizin mit ihrem Versprechen eines Kindes.

In diesem Zusammenhang wird auch die Beratung des Feministischen Frauen Gesundheits Zentrums e.V. (FFGZ e.V.) ungewollt kinderloser Frauen verzerrt dargestellt. Es wird der Eindruck vermittelt, sie liefe darauf hinaus, den Frauen ihren Kinderwunsch auszureden: „Wenn eine Frau trotzdem nicht Abschied nehmen will vom selbstgebastelten Baby, werden ihr Rotklee, Brennessel oder Himbeerblätter empfohlen ...“ Eine solche Bevormundung der Frauen liegt uns ebenso fern wie die entsprechende „Abfertigung“, wenn eine Frau „uneinsichtig“ ist. Unser Ziel ist es vielmehr, die Frauen zu unterstützen, Denkanstöße zu geben und gemeinsam über Perspektiven und Schwierigkeiten zu reden. Die Beratung soll dazu beitragen, daß Frauen selbstbestimmt mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch umgehen.

Möglicherweise gibt das Gespräch in der Gruppe einen Anstoß, den Blick auf die Problematik, ihre Ursachen und ihre Bedeutung zu verändern. Dies hat jedoch nichts damit zu tun, den Frauen ihren Kinderwunsch abzusprechen und ihre konflikthafte Situation nicht ernst zu nehmen. Suchen sie nach alternativen Umgangsweisen, wird sowohl auf Selbsthilfemöglichkeiten wie Rotklee oder Yoga als auch auf Homöopathie, Psychotherapie, Adoption u. ä. eingegangen. Deutlich wird in der Beratung, daß diese Möglichkeiten nicht einfach pauschal für jede Frau sinnvoll sind. Je nach Lebenssituation, Einstellung und Perspektiven sehen alternative Wege für einzelne Frauen recht unterschiedlich aus. Entscheiden sich Frauen nach der Beratung für weitere schulmedizinische Behandlungen, geschieht dies – so unsere Absicht – informierter, kritischer und mit klareren Grenzen.

Informationen und Auseinandersetzung ermöglichen einen selbstbestimmteren Umgang, der sonst oftmals durch die diversen Behandlungsversuche geradezu verdrängt wird.

Verständnis, nicht Bevormundung oder Bewertung ihres Handelns hilft ungewollt kinderlosen Frauen beziehungsweise Paaren: Als „gebärfixierte Paare“ werden sie bei uns nicht gesehen. In diesem Sinne hätten wir uns einen weniger voreingenommenen Artikel gewünscht. Monika Fränznick, FFGZ e.V.,

Berlin

[...] Wir finden es regelrecht unverschämt, daß unser ausdauernder und mutiger Kampf um eine Schwangerschaft als Sucht hingestellt wird. Frau Constanze von Bullion fehlt völlig das Verständnis für einen Kinderwunsch. In dieser Hinsicht gleicht ihr Artikel der Geschichte eines Blinden, der über die Farbe redet.

Es war nicht notwendig hervorzuheben, daß ich plötzlich in Tränen ausbrach, als ich Mütter mit Babys auf der Straße sah (das ist mir nur einmal passiert) und daß wir uns an Sex nach Terminplan und an die moralische Entrüstung der Freunde gewöhnt hätten. Das stimmt so nicht: Es gab keinen Sex nach Terminplan, und es ging nur um eine einzige Bekannte, die die Reproduktionsmedizin rundherum verurteilt. Sonst hatten alle unsere Freunde Verständnis für unsere Bemühungen und halten nach wie vor zu uns. [...]

„Irgendwann schaute ihr eine Akupunkteurin kurz auf die Zunge ...“ klingt wie eine Zufallsuntersuchung.

Wir haben uns jedoch ganz bewußt an die Naturheilkunde gewandt, sobald uns die Fehldiagnose bekanntgegeben worden war.

Die Tatsache, daß es Alternativen zur herrschenden Medizin wie zum Beispiel die Akupunktur gibt, die zu einer Schwangerschaft verhelfen können, ist in dem Artikel viel zu kurz gekommen. Das ist schade für die kinderlosen Paare mit einem Kinderwunsch, die nach Alternativen suchen. Martine Friedmann-Winter,

Franz Winter

[...] Es gibt keinen unerfüllten Kinderwunsch, es gibt nur einen aufoktroyierten Kinderwunsch – von der Gesellschaft derart gefördert, daß eine Frau ja erst eine richtige Frau ist, wenn sie Mutter ist –, und es gibt einen vorgeschobenen Kinderwunsch, nämlich den Wunsch einer Frau, durch ihr Kind versorgt zu sein, sei es über den Kindesvater, sei es über Vater Staat, in diesem Falle meistens durch das Sozialamt vertreten. Wer sich so verzweifelt Kinder wünscht wie die Damen, die diese „Kuhbesamungsstationen“ in Anspruch nehmen, muß höchst beschränkt sein und hat keine eigene Kreativität, so daß ein Kind diesen Mangel an Kreativität kompensieren soll.

[...] Ganz besonders ärgert mich, wieviel Geld für die Reproduktionsmedizin herausgeschmissen wird, ich hätte dieses Geld lieber zur Aufstockung der Sozialhilfe für alleinerziehende Mütter oder zur Aidsbekämpfung oder zur Krebsbehandlung, es gibt genug medizinische und soziale Sparten, in denen Geld fehlt! [...] Kerstin Witt, Berlin

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