■ Warum spiegeln Medien vor allem Männergesichter? Daran sind auch die Frauen selbst schuld: Anschwellender Ziegengesang
Ist die taz eine Frau oder ein Mann? Ein Weib natürlich, würden wohl die meisten LeserInnen antworten. Nicht nur weil sie die Tageszeitung heißt, nicht nur, weil Fritz Teufel sie weiland als „Frau meiner Träume“ titulierte, sondern auch, na ja, so rein gefühlsmäßig. Die taz ist öko-grün, also Natur pur, also weiblich, nicht wahr?
Stellen wir uns vor, eine grünglitschige Forscherin in einer fliegenden Untertasse wäre hier gelandet, um das terrestrische Geschlechterverhältnis zu bestimmen. Und weil ihr jemand erzählt hatte, die Medien seien der Spiegel der menschlichen Gesellschaft, findet sie es einfacher, Menschenworte und Menschenköpfe in den Zeitungen zu zählen als auf der Straße. Das Weibliche, so schlußfolgert sie am Ende, müsse eine äußerst seltene Rasse sein. In den Medien wimmele es zwar von „Menschen“ und „Männern“, „Frauen“ aber kämen nur sehr vereinzelt vor, meist im Zusammenhang mit „Kindern“, „Sozialeinrichtungen“ oder „Haustieren“. Und was die Abgebildeten anbelange, so sei die männliche Biomasse im Spiegel mindestens zehnfach so groß wie die weibliche, auch in der taz betrage sie ungefähr das Dreifache.
Ist die taz also ein Mann? Und was für einer, empörte sich eine Runde frustrierter Leserinnen, die sich jüngst auf Initiative der Berliner „FrauenfrAKTION“ zusammenfand. Motto: „Leserinnen auf der Suche nach einer Tageszeitung, die Leserinnen sucht“. Die taz habe Geschlechterthemen gekillt, das große I geköpft und den Sexismus modernisiert, so klagten sie und führten unzählige Schandtaten der Redaktion auf. Die Schelte mag im einzelnen moralinsauer oder ungerecht gewesen sein, in ihrer Gesamtheit ist sie auf jeden Fall berechtigt.
Denn sie transportiert das weibliche Unbehagen in der Kultur: das Gefühl, in dieser Welt nicht repräsentiert zu werden, sich in den gängigen Symbolen der menschlichen Kultur nicht widerspiegeln zu können, zu einer Kategorie Mensch zu gehören, die vergessen und verleugnet wird. Sie richtet sich gegen eine Sprache, deren Wörter nach Männerschweiß schmecken. In mittelalterlichen Texten war noch von „Bauer“ und „Bäuerin“, von „Leser“ und „Leserin“ die Rede, doch nunmehr leben wir im Zeitalter der biologischen Sensationen: 99 Lehrerinnen, zu denen 1 Lehrer hinzutritt, werden in blitzartiger Metamorphose zu 100 Lehrern.
Eine Sprache, in der das Männliche das Allgemeine repräsentiert und das Weibliche den Sonderfall, ist die Komplizin der Männerwirtschaft. Wie ein Hijab wirft sie sich über die Machtverhältnisse, um sie zu verschleiern. Welchen Geschlechts sind denn die Politiker, Erzieher, Sozialhilfeempfänger, von denen wir hören und lesen? War auch eine Richterin unter jenen Richtern des Europäischen Gerichtshofs, die die Quotierung als Männerdiskriminierung werteten? Sind unter den durchgeknallten Wissenschaftlern, die künstliche Gebärmütter konstruieren und Atomeier bebrüten, auch Frauen zu finden? In den Herren- Nachrichten, die wie anschwellender Bocksgesang aus den Tickern rattern, sind diese Informationen ausgelöscht. Wir bräuchten ein Mobiles Weiberkommando, das jeder Meldung hinterhertelefoniert, feministische Wortfahnderinnen, die im 24-Stunden-Dienst den vollständigen Sachverhalten hinterherrecherchieren. Medienarbeit ist Sisypha-Arbeit.
Der Sprache, in der Frauen gar nicht oder nur an der Krücke des großen I daherhumpelnd vorkommen, entsprechen die Inhalte, die nicht die ihrigen sind. Männer lassen sich in langen Leitartikeln ihrer Zeitungen über Arbeitszeitverkürzung oder Rentenanpassung aus, als ob sie das Wort „Frauen“ noch nie gehört hätten. Haben sie vergessen, wie ihre eigene Ehefrau den Tag verbringt? Wissen sie denn nicht, daß die geschlechtliche Arbeitsteilung für Männlein und Weiblein ganz unterschiedliche Arbeitswelten bedingt? Die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen oder die Finanzierung von Kindergartenplätzen hingegen gilt als klassisches Thema für die Frauenseite. Leben wir in einem Land ohne Väter? Ist die unbefleckte Empfängnis üblich geworden? Sollte man da nicht die katholische Kirche alarmieren?
Vorsichtshalber sei darauf hingewiesen, daß die ideologischen Fronten nicht unbedingt den biologischen entsprechen müssen. Es gibt in den männlichen Reihen durchaus ehrenhafte Kombattanten und unter den Weibern Kollaborateurinnen der dümmsten Sorte. Wären da nicht diejenigen, die sich, psychoanalytisch gesprochen, mit den Aggressoren identifizieren, um sich als Mütter, Gattinnen, Freundinnen an deren Macht zu beteiligen, dann wäre auch nicht zu erklären, warum das Patriarchat nicht längst gestürzt ist.
Die Völker haben die Herrscher, die sie verdienen, die Frauen haben die Männer und die Medien, die sie verdienen. Wenn die Männersicht in den Zeitungskommentaren vorherrschend ist, dann liegt das auch an der Zauderlichkeit der Weiber, die sich nicht trauen, eine eigene Meinung zu haben, die erst eine Doktorarbeit abschließen, bevor sie sich zu einem Thema öffentlich äußern. Wenn in vielen Artikeln die Männersicht überwiegt, dann liegt das auch an der Unfähigkeit der politisch tätigen Frauen, die Bedeutung des eigenen Anliegens hervorzuheben.
Über die ÖTV-Bundesfrauenkonferenz im Februar in Magdeburg, so kritisierte der Kreis wütender taz-Leserinnen, habe sich kein Wort in der taz gefunden. Schuld daran waren aber nicht nur ignorante Redakteure, die keine Korrespondentin losschickten, schuld waren auch die Gewerkschaftsfrauen selbst, die mitten in der hitzigsten Debatte über das angestrebte Bündnis für Arbeit in ihrer Kongreßankündigung kein Wort darüber verloren und ganze drei Wochen später einen umständlichen Kriterienkatalog für das Aktionsprogramm der Bundesregierung veröffentlichten. Vergeblich hoffte frau auf klare Positionen und neue feministische Impulse, etwa in der Art: Wir fordern ein Bündnis für bezahlte Arbeit und verlangen kürzere Arbeitszeiten für Väter. Während Männer längst Politprofis sind, meinen Frauen immer noch, ihre herzerfrischende Natürlichkeit genüge, um in die Medien zu kommen. Und wenn es nicht klappt, weinen sie sich als Opfer der finsteren Männermafia aus.
Aber vom Himmel hoch da kommt nix her. Frauen müssen sich schon auf ihre eigenen Kräfte verlassen, müssen sich verbünden, um Druck auf die Medien auszuüben – möglichst gleichzeitig von innen und außen. Wenn viele Ziegen meckern, dann trollt sich der Bock. Ute Scheub
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