: „Das ist doch der totale Durchbruch“
■ Die Ex-Hure Maya Czajka über mehr und weniger legale Wege der Versicherung
taz: Frau Czajka, inzwischen haben Sie eine Stelle. Aber waren Sie als Hure versichert?
Maya Czajka: Ich war privilegierte Studentin und über die Uni versichert, als ich angeschafft habe. Aber ich arbeite seit 1976 in Hurenzusammenhängen. Dadurch kann ich sehr viel darüber erzählen, wie schön es ist, als Hure Studentin zu sein, und ich kann sehr viel darüber erzählen, wie scheiße es ist, wenn man nicht so privilegiert ist, wie ich es gewesen bin.
Wie versichern sich denn Ihre nichtstudierenden Kolleginnen?
Früher gab es noch die sogenannten „guten Zuhälter“, die dafür gesorgt haben, daß ihre Frauen krankenversichert waren, weil sie Kumpels hatten, die irgenwelche Kneipen hatten, in denen dann plötzlich 20 Serviererinnen arbeiteten, und dann alle bei der AOK angemeldet waren.
Früher war alles viel besser ...
Dann gab und gibt es auch Huren, die haben Ehemänner, die arbeiten irgendwas Ordentliches, da sind die Ehefrauen mitversichert. Andere kümmern sich irgendwie selber um eine gesetzliche Krankenversicherung. Und dann gibt es das große Heer derjenigen Frauen, die Versicherungsvertretern auf den Leim gehen. Die sagen: „Hört mal Mädels, ihr seid ja alle überhaupt nicht krankenversichert, aber wir können da was für euch tun, wir sind nämlich auf eurer Seite. Als Beruf schreiben wir einfach irgendwas in den Antrag rein, denn das muß ja keiner so genau wissen.“
In der Regel sagen die Frauen dann, „das ist ja dufte“, unterschreiben und gehen dann mit einem Versicherungsantrag nach Hause und haben ab da das Gefühl, sie wären krankenversichert. Was die Frauen tatsächlich gemacht haben, war erstens Betrug nach dem Strafgesetzbuch, und sie haben zweitens sämtliche Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes verletzt. In Wahrheit haben sie so wissentlich falsche Angaben gemacht zu ihrem Beruf, und damit ist der ganze Vertrag nichtig – aber erst dann, wenn das jemand merkt. Ich kann also zehn Jahre lang jeden Monat 500 Mark einzahlen und mit einem wunderbaren Gefühl herumlaufen. Irgendwann kommt dann aber der Fall, wo die Versicherung leisten muß. Wenn nicht alles superglatt geht, fliegt der Schwindel auf, und die Frau muß alle Leistungen der Krankenkasse zurückzahlen.
Wer kommt für die anfallenden immensen Kosten auf?
Das ist ganz einfach. Die Versicherung macht da einen Riesenprozeß draus. Eine meiner Klientinnen hatte da Schlag auf Schlag 86.000 Mark Schulden. Dann passiert, was üblicherweise passiert. Die Frau sagt, „das Geld habe ich nicht“ und versucht eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Die Frauen rutschen in die Sozialhilfe ab, und dann muß das Sozialamt zahlen.
Wissen Sie, wie viele Prostituierte das erlebt haben?
Genaue Zahlen gibt es darüber sicher nicht. Aber für mich ist das täglich Brot. Wenn die Frauen vorher zu mir kommen, dann versuche ich vorher noch etwas zu machen. Ich stecke sie dann lieber einen Tag vorher in die Sozialhilfe, als daß die Versicherung die Möglichkeit hat, zu klagen. Gelingt es einem, die Versicherung zu überreden, den Vertrag zu kündigen, muß die Frau wenigstens nicht mit einem Betrugsverfahren rechnen.
Dann ist die Krankenversicherung jetzt also ein wichtiger Fortschritt für die Prostituierten?
Ja, das ist doch der totale Durchbruch. Das wichtige ist erst mal, daß sich die Versicherungsmakler gesagt haben: „Wir begreifen eine Prostituierte jetzt mal als einen Gewerbebetrieb. Was braucht die denn? Die braucht eine Krankenversicherung, eine Betriebshaftpflichtversicherung, eine Betriebsrechtsversicherung und so weiter.“ Insgesamt ist das natürlich toll, aber was meine Beratungspraxis angeht, ist der wahre Brüller die Krankenversicherung. Interview: Petra Welzel
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