piwik no script img

Bauen nicht für Frauen

■ Grundsteinlegung für größtes Wohnungsbauprojekt in Friedrichshain an der Landsberger Allee. Fertigstellung 1998

Blumen gab es für die „Damen“. Musike spielte für den Bauherrn. Und Bier floß für die durstigen Kehlen der Arbeiter. „Der Tag der Frauen“, so Hennig von der Lancken, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain, komme gerade recht, „ein Pilotprojekt für Friedrichshain“ zu feiern. Mit Recht. Für 220 öffentlich geförderte Wohnungen und eine Ladenzeile mit 20 Geschäften wurde gestern der Grundstein gelegt. Das Projekt an der Landsberger Allee gegenüber dem Sport- und Erholungszentrum SEZ ist das größte Wohnungsbauvorhaben des Bezirks. Und mehr noch: „Es soll der Beginn sein zur baulichen Aufwertung der Landsberger Allee“, wie Helios Mendiburu, Bürgermeister von Friedrichshain, sich erhoffte. Die zerfaserte Straße aus Platten- und Altbauten müsse endlich wieder eine geschlossene Gestalt erhalten.

Der Neubauriegel auf dem freien Streifen an der Landsberger Allee erfüllt diesen Wunsch pro forma. Nach dem Entwurf der Architekten Hans-Peter Harm (Hamburg) und Thomas Michael Krüger (Berlin) ist geplant, einen über 200 Meter langen siebengeschossigen Bau entlang der Landsberger Allee zu errichten. Die Blockrandbebauung aus Vorkriegszeiten wird somit wiederhergestellt. Die frei in der Landschaft stehenden Plattenriegel werden an die Neubauten „angedockt“ und erhalten eine Fassung. Nach Süden entstehen damit begrünte Höfe, durch die nicht mehr – wie bislang – der Wind pfeift.

Das gemeinsame Großprojekt der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) und der Wohnungsbaugenossenschaft Friedrichshain (WBG) mit einem Volumen von rund 90 Millionen Mark für Wohnungen in der Preislage zwischen acht und neun Mark Kaltmiete pro Quadratmeter ist für den Bezirk wichtig. „Friedrichshain benötigt dringend geförderten Wohnungsbau“, sagte Mendiburu mit Blick auf den zusammengestrichenen Etat für Sozialwohnngen in der Stadt. Der Senat dürfe mit seinem Sparhaushalt die Bedürfnisse nach billigem Wohnraum nicht ignorieren.

Der Entwurf von Harm und Krüger erscheint so gesehen schon wie ein Vorschlag für „kostensparendes Bauen“. Streng, spartanisch und ohne Schnörkel wird sich der Wohnungsriegel einmal an der Landsberger Allee entlangziehen – fast wie eine Weiterentwicklung der angrenzenden Plattenbauten. Aus dem Repertoire des traditionellen sozialen Wohnungsbaus der zwanziger Jahre entnommen sind auch die Laubengänge der Zeilen. Die Wohnräume öffnen sich nach Süden zu Licht und Sonne.

Und auch die Fehler der Sozialwohnungen tauchen wieder auf: Küchen und Bäder – Hauptarbeitsplatz der Hausfrauen – sind in den Wohnungen nach dem sonnenlosen Norden ausgerichtet. Dort können die „Damen“ am „Tag der Frauen“ dann die Autos auf der Landsberger Allee betrachten. Wie die Kinder sich im Hof balgen, sehen sie nicht. Rolf Lautenschläger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen