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Noch eine Chance für Arafat

Streit in Israel über den Umgang mit den Palästinensern: Zusammenarbeiten oder ausgrenzen, einen Zaun errichten, eine Mauer bauen?  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

In Israel hält der Streit zwischen der Regierung und der Opposition über eine angemessene Reaktion auf die Hamas-Attentate unvermindert an. Während die Regierung unter Ministerpräsident Schimon Peres das Abkommen mit der PLO retten will, vor unüberlegten miltärischen Aktionen warnt, fordert der Likud-Block den Einsatz von Militär und Sicherheitskräften auch in den autonomen palästinensischen Städten, um die „Terroristen dingfest zu machen“.

Israels langjähriger Regierungschef und Likud-Hardliner Jitzhak Schamir beklagt, daß die israelische Regierung die Verantwortung für die Sicherheit der Bürger an die PLO delegiert habe. Die aber habe Hamas benutzt, um Israel über Anschläge zur Räumung weiterer Gebiete zu veranlassen. „Das Abkommen mit der PLO ist die Wurzel allen Übels. Wir hätten niemals Gebiete abtreten dürfen“, sagt Schamir.

Daß die palästinensische Polizei inzwischen mehr als 500 Hamas- Anhänger verhaftet, die islamische Universität in Gaza gestürmt und den 20jährigen Mohammed Abu Warda, der von Israel und der Autonomiebehörde für drei der letzten vier Bombenanschläge verantwortlich gemacht wird, zu lebenslanger Haft verurteilt hat, ist für Schamir nur oberflächliche Tünche. „In Wirklichkeit arbeitet die PLO mit den Terroristen zusammen“, meint er.

Das sieht die israelische Regierung ganz anders. Yossi Beilin, Staatsminister im Kabinett Peres, erklärte in Jerusalem: „Es gibt keinen Terror von seiten der PLO. Die Autonomiebehörde hat zugesagt, den Terror zu bekämpfen. Die Maßnahmen, die in den vergangenen Tagen von den palästinensischen Behörden ergriffen worden sind, sind anders als früher.“ Ausdrücklich begrüßte Beilin den Vorschlag des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat, eine internationale Konferenz zur Bekämpfung des Terrorismus einzuberufen.

Während die Opposition im israelischen Parlament den Ruf nach Rache und Vergeltung aufnimmt und schnelle und harte Schläge gegen Hamas fordert, ist die israelische Regierung bereit, Arafat eine letzte Chance einzuräumen. Nach Angaben von Regierungssprecher Uri Dromi muß Arafat aber noch unter Beweis stellen, daß er wirklich „alle Terrornester“ ausheben will. „Ansonsten werden wir das übernehmen. Und wir werden Dinge tun, die sich in das Gedächtnis eines jeden Terroristen einprägen“, so Dromi.

Die israelische Regierung hat inzwischen eine militärische Sondereinheit gebildet, die zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden soll. Zu diesem Zweck werden auch die Geheimdienste reaktiviert. Ob sie auch in den Autonomiegebieten zum Einsatz kommen sollen, unterliegt allerdings der Geheimhaltung. Die Existenz einer „Hitliste“ mit den Namen der meistgesuchten Führer des militärischen Arms von Hamas, die quasi zum Abschuß freigegeben sind, wollte Staatsminister Beilin öffentlich nicht bestätigen.

Die PLO kommt den Forderungen Israels nach

In einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz sagte Arafats Stellvertreter Mahmud Abbas, daß die Autonomiebehörden entschlossen seien, die gesamte Infrastruktur des Terrors zu vernichten. Abbas erklärte, daß Hamas die Autonomiebehörden betrogen und sich nicht, wie zugesagt, in eine demokratische Oppositionspartei verwandelt habe. „Es wird keinen Dialog geben, weder mit dem politischen noch dem militärischen Fügel von Hamas“, so Abbas. Die PLO kommt damit der von Israel geforderten Entwaffnung von Hamas nach.

Kritik an den israelischen Absperrungsmaßnahmen in den palästinensischen Gebieten weist Staatsminister Beilin zurück. Israel müsse sich gegen die Infiltration von Terroristen schützen. Nach den bisherigen Ermittlungen der israelischen Polizei wurde der Attentäter von Tel Aviv im Lastwagen eines israelischen Arabers über die Grenze geschmuggelt. Der Verdächtigte bestreitet, gewußt zu haben, wen er in seinem Lastwagen schmuggelte. Die frühere Sprecherin der palästinensischen Delegation bei den Friedensverhandlungen und heutige Abgeordnete im palästinensischen Autonomierat, Hanan Ashrawi, nannte die israelischen Sicherheitsmaßnahmen wenig effektiv. Durch die wiederholten Absperrungen seien die Attentate bestenfalls zeitlich hinausgezögert worden. „Statt Kollektivstrafen gegen ein ganzes Volk zu verhängen, müssen wir über eine echte Trennung, über Rechte und Freiheit und Grenzen reden“, so Ashrawi.

Auch Staatsminister Beilin hält eine Trennung zwischen der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung für notwendig. Doch er will sie nur einsetzen, um die Absperrung bestimmter Gebiete zu erleichtern. Ein Zaun zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten solle nur da errichtet werden, wo die Nachbarschaft zu eng sei. Nach den Worten von Regierungssprecher Dromi widerspricht eine dauerhafte Trennung den Vorstellungen von Schimon Peres. Doch vorläufig sei das am ehesten praktikabel.

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