■ Ökolumne: Klagende Männer Von Monika Griefahn
Krisen, so lehren es die Psychologen, bringen uns weiter. Sie können uns stärken, auf neue Wege bringen. Was für die Beziehungskistenspezialisten längst Standardwissen ist, hat sich bisher in den Chefetagen von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und in der Politik nicht herumgesprochen. Statt die Beschäftigungskrise, die Konjunkturkrise als Chance zu begreifen, rotten sich – typisch deutsch? – wehklagende Männer zusammen und erinnern an frühere rosige Zeiten, Zeiten, in denen die Löhne hierzulande niedriger, die Konkurrenten im Ausland schläfriger und die Umweltvorschriften schlapper waren.
Als Rezept gegen die Krise verordnen sie einstimmig: bloß keine strukturelle Veränderungen, weder Ökosteuer noch Konversion alter Industrie, weder Effizienzrevolution noch Einstieg in neue Produkte. Weil der Sozialismus nicht mehr existiert, zählt auch die einstmals hochgelobte soziale und ökologische Marktwirtschaft nicht mehr – angesichts der Billigkonkurrenz aus aller Welt ist Kapitalismus pur angesagt. Dabei können wir uns angesichts von 4 Millionen „offiziellen“ und an die 6 Millionen tatsächlichen Arbeitslosen das Aufschieben einer Richtungsentscheidung nicht mehr leisten.
Erfolgversprechende Ansätzen stehen bereit: Eine ökologische Steuerreform entlastet den Faktor Arbeit, Beschäftigung wird billiger. Gleichzeitig wird der Ressourcenverbrauch teurer, wird ein Anstoß gegeben für die Umorientierung unserer Wirtschaft zu einer ressourcenschonenden, zukunftsfähigen Kraft.
Der Forderung nach einer solchen zukunftsfähigen Produktion liegt nicht nur der Traum vom „grünen“ Fernseher oder vom klimafreundlichen Solarauto zugrunde, sondern auch ein kühler Blick auf den Weltmarkt. Längst sind Billiglohnländer in der Lage, unsere Industrieprodukte zu kopieren: seien es Plastikfolien, Textilien, Frachtschiffe oder sogar Informatikdienstleistungen. Auf diesen Feldern einfach weiter konkurrieren zu wollen ist aussichtslos. Noch so hohe staatliche Subventionen werden auf Dauer den Zusammenbruch ganzer Branchen hierzulande nicht verhindern.
Deshalb müssen sich die deutsche und die europäische Industrie der ökologischen Innovation verschreiben. Einer Innovation, mit der sie ihre eigene Produktion konkurrenzfähig halten – weil sie eben wenig Rohstoffe und Energie verbraucht und damit unabhängiger von den Rohstoffpreisen wird. Einer Innovation, mit der sie Produkte auf den Weltmarkt bringen, die Lösungen servieren: zum Beispiel dem Klima angepaßte Kühlsysteme, komplette Transportdienstleistungen, Technologien für dezentrale Energieversorgung. Es gibt Beispiele für Ansätze in dieser Richtung, nur haben häufig andere dabei die Nase vorn: das sparsamste Hyper-Car aus den USA, die FCKW-Ersatzstoffe aus Japan, der kompostierbare Möbelstoff aus der Schweiz.
Wenn der Chef der Unternehmensberatung McKinsey jüngst die Hoffnung äußerte, daß „es auch die deutschen Manager nicht bei den Defensivstrategien der Kostenanpassung bewenden lassen, sondern sich auf die künftigen Herausforderungen einstellen werden“, dann reicht das nicht aus. Die Politik muß mit der ökologischen Steuerreform Starthilfe geben. Mit einer Stromsteuer ist der erste Schritt möglich. Das Gesamtpaket, mit dem gleichzeitig die gesamten Steuervorschriften ausgelichtet werden, muß folgen.
Den Anfang müssen wir jetzt machen. Es ist klar, daß die alten Industrien, die energieaufwendig produzieren – Stahl, Chemie, Auto- und Schiffsbau –, am stärksten betroffen sind. Kreative Übergangslösungen sind machbar: Die politische Vorgabe, nur noch doppelwandige Tanker in europäische Häfen zu lassen, könnte die Auftragslage befristet verbessern. Mittelfristig aber müssen für die Beschäftigten Alternativen geboten werden. Mittelständische Unternehmen, die sich Wind- und Solarenergie auf die Fahnen schreiben. Ingenieure, die biologische Abfallbehandlungsverfahren, kompostierbare Kunststoffe, Produktion und Demontage von Konsumgütern in einer Hand organisieren – das Feld für ökologisch sinnvolle und exportfähige Innovationen ist weit und noch fast unbeackert.
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