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Drahtzieher des Ruanda-Völkermords verhaftet

■ Kamerun überlegt Auslieferung von Oberst Bagosora, ehemaliger Stabschef

Jaunde/Berlin (AFP/taz) – In Kamerun ist ein hochrangiger Vertreter der 1994 gestürzten ruandischen Regierung festgenommen worden, dem Mitplanung des damaligen Völkermords vorgeworfen wird. Oberst Theoneste Bagosora wurde nach Polizeiangaben am Montag in der Hauptstadt Jaunde in ein Gefängnis gebracht. Aus Justizkreisen hieß es, der Oberst solle vor Gericht angehört werden, bevor über seine Auslieferung nach Ruanda oder Belgien entschieden werde.

Bagosora steht auf einer von der jetzigen Regierung Ruandas erstellten Liste von 25 Hauptverantwortlichen für die Ermordung von über 500.000 Menschen zwischen April und Juli 1994. Er war unter dem früheren ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana Stabschef im Verteidigungsministerium. Der Historiker Filip Reyntjens bezeichnet Bagosora als Mitglied der akazu – des Kreises hoher Politiker im Umfeld von Habyarimana, die vor dessen Tod 1994 Mitglieder der Präsidialgarde und der rassistischen Hutu-Miliz „Interahamwe“ in Todesschwadronen organisierten, um Ruanda zu destabilisieren und eine Machtteilung mit der Tutsi-Minderheit zu verhindern. Nach Zeugenaussagen gegenüber der Menschenrechtsorganisation „African Rights“ war die Bewaffnung der „Interahamwe“-Miliz, die 1994 Hunderttausende Tutsis umbrachte, seit ihrer Gründung 1991 hauptsächlich Sache von Bagosora. Nach dem bis heute ungeklärten Tod Präsident Habyarimanas am Abend des 6. April 1994, der die „Interahamwe“-Miliz und die Präsidialgarde zu Massenmorden an Tutsi und gemäßigten Hutu veranlaßte, war es Bagosora, der die politische Initiative übernahm und am 7. April ein „Krisenkomitee“ aus hohen Militärs und Politikern zusammenrief.

Dieses Komitee bildete in den folgenden Tagen eine aus extremistischen Hutus bestehende „Übergangsregierung“, die dann den Ablauf des Völkermordes organisierte und schließlich drei Monate später geschlagen nach Zaire floh. Bagosora setzte sich damals nach Kamerun ab. Er ist nun einer von bisher zehn Angeklagten, denen demnächst das UN-Völkermordtribunal im tansanischen Arusha den Prozeß machen will. D. J.

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