Nachgefragt: Lohnt sich die Zwangsmitgliedschaft?
■ Dreyer über die Kammerquerelen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Deutsche Angestelltengewerkschaft liegen seit Wochen im Clinch. Es geht um das vom Rechnungshof gerügte Finanzgebahren der Angestelltenkammer, das nach Meinung der DAG vom DGB-Monopol im Kammervorstand verantwortet wird. Am Dienstag abend hat die DGB-Mehrheit der Vollversammlung ein „Friedensangebot“ der DAG abgelehnt. Wenn die DGB-Front drei ihrer sieben Vorstandsposten abgetreten hätte, wollte die DAG als Gegenleistung ihre Rücktrittsforderungen zurückziehen.
Die DGB-Vorsitzende Ziegert nannte Ihr Angebot unehrlich. Wollten Sie sich ihren Unmut mit einer Beteiligung an der Kammer abkaufen lassen?
Nein, auf keinen Fall. Der DGB hat uns ja schon Monate vorher angeboten, wir sollten uns an der Vorstandsarbeit beteiligen. Wir haben aber immer gesagt, wir wollen mit diesen Vorstandsmitgliedern nicht zusammenarbeiten.
Der berühmte Satz, mit diesen Eierdieben setze ich mich nicht an einen Tisch...
Ja, genau, mit diesen Hühnerdieben. Wir haben aber nach langem Hin und Her in der Fraktion beschlossen, daß wir den Neuanfang wagen müssen. Ob uns das paßt oder nicht, alles andere gehört in den Bereich der Emotionen, die dort nix zu suchen haben. Wir sollten versuchen, die Kammer gemeinsam nach vorne zu treiben, denn nach unserer Überzeugung stehen die Kammern an sich zur Disposition.
Wenn das Vertrauen zerrüttet ist, wie haben Sie sich eine Zusammenarbeit mit diesen Leuten im Vorstand vorgestellt?
Ach, ich glaube, daß man für diese konkrete Arbeit auch konkret zusammenfinden kann. Das ist ja die berufliche Erfahrung vieler Menschen.
Mit Hüherdieben..
Ich wäre nicht in die Vorstandsarbeit gegangen, aber wir haben ja viele Menschen in der Fraktion, da wäre der eine oder andere wirklich geeignet gewesen, sich dort kritisch zu integrieren.
Die DAG hat den DGB-Antrag abgelehnt, die Streitigkeiten durch einen Schlichter zu regeln.
Ja, weil wir der festen Überzeugung sind, daß wenn jemand einen Schlichter braucht, dann der DGB, der ja untereinander sehr zerstritten ist. Wir glauben, daß die Vollversammlung ihre Probleme selbst lösen muß, und wenn sie das nicht kann, ist der Wirtschaftssenator dran.
Sollen so die Vorwürfe des Rechnungshofes aufgeklärt werden?
Ja.
Sehen sie noch eine Chance, die Selbstblockade der Kammer aufzulösen?
Seit heute sehe ich eigentlich nur noch ganz, ganz wenige Möglichkeiten. Ich glaube, daß ab heute die Frage auf der Tagesordnung steht, ob sich eine Zwangsmitgliedschaft für 160.000 Mitglieder in dieser Kammer überhaupt noch lohnt. Um diese Frage können wir uns nicht herumdrücken. Wenn die Selbstverwaltung ihren Job nicht leistet, dann sehe ich keine Veranlassung, warum uns 160.000 Leute ihr Geld überweisen sollen.
Dazu kommt die SPD-Forderung nach Zusammenlegung. Gibt es da schon eine CDU-Position?
Ja, die haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die Gewerkschaften müssen sich verständigen, dann wird Politik Handeln. Es sieht aber nicht danach aus, als ob das klappt..
Fragen: J.G.
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