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Bundeskanzleramt vergrößert Ozonloch

■ Bund will bei Regierungsbauten im Spreebogen auf giftige Baustoffe nicht verzichten. Greenpeace forderte Verbot

Bei den Neubauten für die Bundesregierung und das Parlament im Spreebogen will der Bund nicht auf giftige Baustoffe verzichten. Auch nach einer Anhörung gestern im Bonner Bauausschuß sind die Vertreter der Koalition nicht bereit, ökologische Standards beim Bau des Kanzleramtes, bei den Abgeordnetenbüros oder für den Reichstagsumbau zu beschließen. Der Einsatz von hochgiftigem PVC sowie von die Ozonschicht schädigenden Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) wurde nicht explizit ausgeschlossen. Vorschriften zum Verzicht auf die gefährlichen Materialien sollen nicht erlassen werden.

„Auch nach der Anhörung von Experten, die eine umweltfreundliche Auswahl der Baustoffe empfehlen“, sagte Franziska Eichstädt- Bohlig, baupolitische Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, „wurden wieder nur ökologische Lippenbekenntnisse abgegeben. Doch das reicht nicht.“ Vielmehr sollte ein Verbot der Baustoffe angestrebt werden. Gängige Öko-Standards wie das partielle PVC-Verbot in Berlin müßten auch für Bundesbauten gelten. Immerhin, so Eichstädt- Bohlig, wolle der Bund die Gebäude mit „fortschrittlichen“ regenerativen Energien durch ein mit Rapsöl betriebenes Blockkraftwerk beheizen.

Für das Kanzleramt oder den Alsenblock können dagegen Kabel, Leitungen, Kleinbauteile und Fenster aus PVC sowie Dämmschaum aus „halogenisiertem“ FCKW als Baustoffe verwandt werden. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte gestern vom Bauausschuß, auf die giftigen Baumaterialien sowie den Gebrauch von Tropenhölzern für die Neubauten endgültig zu verzichten. Greenpeace-Sprecher Carsten Körnig sagte, der Bund müsse gesetzliche Regelungen für ein Verbot von PVC und HFCKW beschließen: „Nur so kann deren Einsatz ausgeschlossen werden.“

Der Bund, kritisierte Körnig, bleibe bei seinen Baumaßnahmen an der Spree weit hinter den in Berlin und Bonn geltenden Öko- Richtlinien zurück. In über 200 anderen Städten und in fünf Bundesländern sei die Verwendung dieser Materialien längst ausgeschlossen. Während HFCKW die Ozonschicht des Planeten zerstöre, entstehe bei der Verbrennung von PVC das sogenannte Seveso-Gift Dioxin. „Halbherzige und wertlose Formulierungen dienen nur der PVC-Lobby“, meinte Körnig.

Eichstädt-Bohlig sowie Körnig forderten, daß die Regierungsbauten zu „symbolhaften ökologischen Baumaßnahmen“ entwickelt werden sollten. Die Verwendung von umweltfreundlichen Materialien führe zu keiner wesentlichen Verteuerung der Bundes- und Parlamentsbauten. Körnig bezifferte die Mehrkosten auf drei bis vier Prozent. Gleichzeitig könne, so Eichstädt-Bohlig, von der Öko- Baustelle Berlin ein Signal für die Umweltwirtschaft insgesamt ausgehen. „Dieses Leitbild hätte Vorbildfunktion“ und wäre ein Motor für neue Arbeitsplätze. Rolf Lautenschläger

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