Lieder für den Präsidenten

■ Der Weltmusikant Hamid Baroudi über sein Recht auf Tonraub

In seiner Heimat Algerien, die er mit 17 Jahren verließ, ist Hamid Baroudi einer der erfolgreichsten Musiker. Vor allem für die jungen Menschen – 75 Prozent der Algerier sind unter 25 Jahren – haben seine sozialpolitischen Lieder eine große Bedeutung. Sein Stück Song For Boudiaf, dem im Juni 1992 ermordeten algerischen Staatspräsidenten Muhammad Boudiaf gewidmet, wurde zur heimlichen Nationalhymne. Seit einigen Jahren lebt der ehemalige Sänger der Dissidenten nun in Kassel. Nachdem Baroudi bei den Vorreitern in Sachen Ethnopop 1991 ausgestiegen war, ließ er sich bis letzten Sommer Zeit, um sein erstes Solo-Album City No Mad zu veröffentlichen.

taz: Du wirst als Weltmusik-Vertreter bezeichnet. Was bedeutet das für Dich?

Hamid Baroudi: Eigentlich gar nichts. Jede Musik ist Weltmusik, auch Jazz oder Blues. Ich bin ein Anarchist, in der Art, wie ich Musik mache, nicht festgelegt, sondern für alles offen. Weltmusik ist ein abstrakter Begriff, der von der Industrie geprägt wurde, um leichter Geld machen zu können.

Also die Fortsetzung der Ausbeutung durch den Westen auf der musikalischen Ebene?

Es ist doch merkwürdig. Sobald Paul Simon oder Peter Gabriel mit afrikanischen oder asiatischen Musikern zusammenarbeiten, werden sie für ihr Interesse an anderen Kulturen gelobt. Andersherum wird einem schnell vorgeworfen, man würde sich anpassen, nur weil man auch europäische Popmusik verwendet. Das ist ein Klischee. Meine Musik hat mit Anpassung nichts zu tun.

Du singst auch auf arabisch...

Die Leute hier können die Texte nicht verstehen. Aber das soll auch so sein, denn ich will sie dazu bringen, mir Fragen zu stellen. Zuerst kommt bei denen das Interesse an meiner Musik und später die Message.

Was ist denn Deine Botschaft?

Alle Menschen müssen gegenseitig voneinander lernen, denn wir sind dazu verurteilt zusammenzuleben. Wir dürfen uns nicht verschließen. Das ist eine große Gefahr.

Die Warnung kommt für Deine Heimat zu spät – in Algerien herrscht Bürgerkrieg.

Das hätten die Islamisten (der Heilsfront FIS; die Red.) gerne so, aber das stimmt nicht. Die westlichen Medien berichten viel zu einseitig über mein Land: Algier ist nicht Algerien, es wird nicht überall gemordet. Von den demokratischen Parteien oder der dortigen Frauenbewegung ist in Europa nur wenig zu sehen.

Aber der Konflikt zwischen der Regierung und den Fundamentalisten wird mit Gewalt ausgetragen.

Der größte Teil der Bevölkerung hat davon die Schnauze voll. Man sollte die FIS und die regierende Einheitspartei FLN in die Wüste schicken und ihnen genügend Waffen geben, damit sie sich gegenseitig erschießen können. Ich lasse mir von denen keine Angst einjagen. Es ist meine Pflicht, Widerstand zu leisten – nicht für mich, sondern für die Jugend und die Familien, die terrorisiert werden.

Fragen: Clemens Gerlach

Sonntag, 5. Februar, Markthalle, 20.30 Uhr