: Virtuelle Besucher
■ Die meisten per Internet, viele zu Fuß: Rekordandrang auf der CeBit
Hannover (taz) – Die 412.328 CeBit-Besucher am ersten Messetag wären ein neuer Rekord – wären die zugehörigen Besucher auch wirklich dagewesen. Aber die Schlaueren unter den Computophilen verzicheten auf eine Realpräsenz bei der weltgrößten Computermesse in Hannover: Sie nutzen lieber den Informationsserver im World Wide Web (WWW), der den Moloch CeBit erstmals umfassend dokumentiert. Doch auch durch die reale Messe trieb es diesmal deutlich mehr Gäste als letztes Jahr. Die Politik der Deutschen Messe AG, die den Eintrittspreis drastisch erhöht hat, um Daddler und Schnäppchenjäger zur neuen „CeBit Home“ im September umzuleiten, scheint bisher nicht zu fruchten.
Das Angebot im WWW kommt gerade noch rechtzeitig in dem Jahr, in dem die Nabelschau der Kommunikations- und Informationsbranche endgültig in eine Datennetz-Demo umkippt. Sogar der träge Walldorfer Branchen-Saurier SAP, weltweit führender Hersteller von Standardsoftware für Großunternehmen, sieht sich gezwungen, auf der CeBit eine Kooperation mit Microsoft bekanntzugeben, in deren Rahmen SAP- Produkte Internet-fähig gemacht werden sollen. Zum ersten Mal ist „Netscape“, das Wunderkind des neuen Mediums, mit einem eigenen Stand vertreten. 85 Prozent der Web-Surfer nutzen inzwischen den von der Firma entwickelten „Browser“ als Surfbrett.
Am meisten umlagert war jedoch Ed Zander, Chef von „Sun“, einem Unternehmen, das seit jeher vernetzte Systeme entwickelt und mit Hereinbruch des Internets plötzlich im Focus des Interesses steht. Unter Zanders Leitung wurde vor Jahren die Netz-Programmiersprache „Java“ erfunden, die nun von den meisten Firmen eingesetzt wird, um Internet- Produkte aufzupeppen. „Wir können sicherlich nur erahnen, in welche Dimensionen wir uns mit unseren Java-Entwicklungen katapultieren“, tönte Zander gestern.
Auch jene Online-Dienste, die sich in Deutschland um die Heranführung der Laufkundschaft an Zanders Visionen kümmern wollen, haben es in diesem Jahr zum ersten Mal alle zu einem Stand auf der Messe gebracht. Die Firma „CompuServe“ etwa, beim letzten Mal noch standlos, gab auf der CeBit gleich ihren Börsengang im Oktober bekannt, eine Partnerschaft mit dem Telekom-Riesen AT&T und, viel wichtiger: eine mit dem kleinen Netzgiganten „Netscape“. Jochen Wegener
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