: Die erste Etappe einer heiligen Mission
■ Sechs Jahre und einen Knastaufenthalt später holt sich Mike Tyson den ersten Schwergewichtstitel zurück
Las Vegas (dpa) – Mike Tysons zweite Schreckensherrschaft hat begonnen: Sechs Jahre nachdem er in Tokio den WM-Titel sensationell an Buster Douglas verloren hatte, entthronte Tyson am Samstag abend (Ortszeit) in Las Vegas in einer eindrucksvollen Show Champion Frank Bruno durch technischen K.O. nach 50 Sekunden in der dritten Runde und wurde damit neuer Schwergewichts-Weltmeister des Boxverbandes WBC. Wie eine Furie wirbelte der 29 Jahre alte US-Amerikaner vor 17.152 Zuschauern durch den Ring und verprügelte den enttäuschenden Briten nahezu nach Belieben. „Ich danke Allah, aber es ist noch viel Platz für Verbesserungen. Ich bin mein härtester Kritiker“, sagte Tyson, der bei seiner Börse von 30 Millionen Dollar 73.170 Dollar pro Sekunde verdiente.
Kaum hatte Tyson den ersten Teil seiner heiligen Mission, den Titelsalat in der Schwergewichtsszene wieder zu ordnen, erfolgreich erledigt, fiel er auf die Knie und betete. Fast genau ein Jahr nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis erinnerte „Iron Mike“ mit der ihm eigenen Aggressivität und Power an alte Zeiten. Bruno stand unterdessen mit hängendem Kopf und Blut im linken Auge in seiner Ecke, immer noch sichtlich benommen von der Bestrafung des siegesbesessenen Tyson. „Mike ist so gut wie früher. Er hat mich überrascht, das muß ich zugeben. Mein Herz ist gebrochen“, sagte der 34 Jahre alte Bruno (40 Siege, 5 Niederlagen), der sich mit sechs Millionen Dollar trösten durfte und an den Platzwunden genäht werden mußte.
Auch Tennisstar Steffi Graf, die nach ihrem Turniersieg in Indian Wells per Privatjet kurzfristig einflog, war von Tyson beeindruckt. Bereits nach knapp 90 Sekunden in der ersten Runde hatte Bruno nach einer rechten Geraden des Herausforderers eine Platzwunde über der linken Augenbraue. Die 7.000 britischen Fans, die in der Garden Arena des MGM Grand Hotels vor Beginn des Kampfes noch für eine euphorische Atmosphäre wie in einem Fußballstadion gesorgt hatten, verstummten urplötzlich. Zu überlegen und zu schnell war Tyson, zu aussichtslos die Lage des langsamen Bruno, der nur darauf bedacht schien, nicht ernsthaft verletzt zu werden, und das einseitige Duell zeitweise zu einem Ringkampf machte.
„Bruno hat nur gehalten, und ich habe geschlagen, ohne Rücksicht und Vorsicht“, sagte Tyson, der auch das erste Duell der beiden vor sieben Jahren durch technischen K.O., damals nach fünf Runden, gewonnen hatte. Ringrichter Mills Lane zog dem Briten in Runde zwei einen Punkt wegen Haltens ab. Zu diesem Zeitpunkt war Tysons Sieg ohnehin nur noch eine Frage der Zeit. Nach einer Serie von rechten Geraden schickte er Bruno schließlich nach 50 Sekunden der dritten Runde mit einem linken Haken zu Boden, und Lane stoppte den Kampf sofort. „Es gibt keine Frage mehr, Tyson ist wieder der Alte“, analysierte Muhammad Alis Ex-Betreuer Ferdie Pacheco.
Tysons mäßige Vorstellungen in seinen ersten beiden Comeback- Kämpfen nach der Haftentlassung gegen die „Kirmesboxer“ Peter McNeely und Buster Mathis Jr. sind vergessen. Fernsehzuschauer in 130 Ländern konnten sich von seiner neuen Besessenheit und Motivation überzeugen. „Ich habe es doch gesagt, das Warten hat sich gelohnt. Mike Tyson ist wieder da. Er hat die Schwergewichtsszene gerettet“, sagte sein Promotor Don King, der bereits den nächsten WM-Kampf für seinen Schützling geplant hat. Im Spätsommer soll Tyson gegen Bruce Seldon, der ebenfalls von King betreut wird, um die Krone des Verbandes WBA kämpfen. Trotzdem scheinen die Tage der Zusammenarbeit zwischen Tyson und King gezählt. Tysons ehemaliger Leibwächter Rudy González hatte angekündigt, der Champ wolle King nach dem Gewinn des WBC-Titels entlassen.
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