: Lava erreicht die Treuhand-Anstalt
■ Wußten viele Treuhand-Mitarbeiter seit Jahren von der Zweckentfremdung der Hilfen für ostdeutsche Werften?
Schwerin (dpa/AP/taz) – Es gibt immer mehr Hinweise, daß Treuhand-Mitarbeiter seit langem wußten, daß Treuhand-Geld vertragswidrig in marode Vulkan-Betriebe in Westdeutschland gesteckt wurde. Nach einem Bericht des Spiegels hat ein Justitiar des Vulkans die Behörde frühzeitig vor der Zweckentfremdung von Osthilfen gewarnt. Dem Hamburger liegt angeblich eine eidesstattliche Erklärung von Walther Huschke, dem damaligen Justitiar der Rostocker Hanse Schiff- und Maschinenbau GmbH vor, in der die Ostbetriebe des Vulkan bis in den Spätsommer 1994 organisiert waren. Huschke berichte darin, er habe den zuständigen Treuhand-Direktor Dirk Groß-Blotekamp am 14. Dezember 1993 vor der „Verwendung von liquiden, für die MTW Schiffswerft in Wismar zur Verfügung gestellten Treuhand- Geldern zur Finanzierung von Verlusten in BVV-Unternehmen im Westen“ gewarnt.
Die Schweriner Volkszeitung berichtet widerum, die Treuhand- Vorstände Klaus-Peter Wild und Wolf Klinz hätten schon am 20. Dezember 1993 in einem Brief an den damaligen Vulkan-Chef Friedrich Hennemann moniert, daß „entgegen den ursprünglichen Zusicherungen des Bremer Vulkan“ Gelder der Ostwerften im Westen verwendet worden seien.
Immer wieder ist auch davon die Rede, daß das ehemalige Vulkan-Vorstandsmitglied Manfred Timmermann im November 1993 zurückgetreten sei, weil er beim widerrechtlichen Geldtransfer nicht mitmachen wollte. Timmermann, der inzwischen bei der Commerzbank arbeitet, will sich nicht dazu äußern.
Die Welt am Sonntag schreibt, die Treuhand habe möglicherweise bei der Vertragsgestaltung mit dem Vulkan für die Übernahme der Ostwerften „geschlampt“. Im wesentlichen handele es sich um zwei Verträge aus den Jahren 1992 und 1993. Daraus gehe hervor, selbst wenn der Vulkan-Verbund ein gesunder Konzern wäre, hätte die Bremer Holding die Wismarer Werft und das Dieselmotorenwerk Rostock ab Januar 1996 „allmählich aushungern und Arbeit und Aufträge nach Bremen verlagern können“, ohne gegen den Vertrag mit der Treuhand zu verstoßen.
Am Wochenende kursierten außerdem Gerüchte über eine schwarze Kasse, die von im Auslandsgeschäft tätigen Ex-Vulkan- Managern geführt worden sein soll. Auf dem Konto des Vergleichsverwalters Jobst Wellensiek sind jedenfalls 600.000 Mark eingegangen. Das bestätigte der Bremer Rechtsanwalt Wolfgang Kahrs. Ein Vulkan-Mitarbeiter, der unbekannt bleiben möchte, habe sich ihm anvertraut und um juristische Hilfe gebeten. Am 4. März hat der Mann nach Angaben Kahrs das Geld überwiesen.
Noch ist allerdings unklar, woher das Geld stammt. Es gibt Spekulationen, daß es mit Geschäften der Vulkan-Werft in Bremen-Vegesack erwirtschaftet wurde, die nicht durch die Buchhaltung gelaufen sind.
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